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17.142 Dollar pro Wort

„Terminator 2“ — Triumph des Geldes und der Technik  ■ Von Karl Wegmann

Die Redakteure der Filmzeitschrift 'Cinema‘ hatten akribisch recherchiert: Exakt 72 Worte mußte der österreichische Muskelmann 1984 für den Science- Fiction-Reißer Terminator auswendig lernen. Das machte bei einer Gage von einer Million Dollar 13.888 Dollar und 88 Cents pro gesprochenes Wort. Für die Fortsetzung wurde Arnie Schwarzenegger mit zwölf Millionen Dollar entlohnt (davon sieben Millionen in Form eines Gulfstream Flugzeugs), dafür mußte er allerdings etwas mehr arbeiten: In Terminator 2 umfaßt sein Text 700 Worte. Diesmal gab's also 17.142 Dollar und 86 Cents pro Wort — nicht schlecht für einen Mann, dessen schauspielerische Leistungen sich am freundlichsten mit mimischer Minimalistik umschreiben lassen.

Big Arnie ist zur Zeit der Kassenmagnet des amerikanischen Lichtspiels. Dabei hatten Hollywoods Filmfürsten diesmal so hoch gepokert wie noch nie: 94 Millionen Dollar kostete die Realisierung des Terminator 2. Da die großen Studios noch einmal wenigstens 50 Prozent der reinen Herstellungskosten als Werbeetat einplanen, dürfte die Gesamtinvestition für T2 mindestens 150 Millionen Dollar betragen haben. Nur gut ein Drittel der Kasseneinnahmen fließt an die Produktionsfirma zurück, die anderen zwei Drittel teilen sich Kinobesitzer und Verleiher. Das heißt im Fall von T2, daß der Film allein 450 Millionen Dollar einbringen muß, um den Kapitaleinsatz auszugleichen. Unmöglich? Nicht doch! In den ersten vier Tagen spielte T2 in den USA 53 Millionen Dollar ein, nach sechs Wochen waren es schon 200 Millionen. In diesem Sommer wurde zeitweise jede zweite Kinokarte in Amerika für T2 gekauft. Hinzu kommt der Vorabverkauf von Auslandsrechten und TV- und Videolizenzen im Gesamtwert von angeblich 90 Millionen Dollar. Darin nicht enhalten sind die lukrativen Nebengeschäfte mit Büchern, Schallplatten, T-Shirts, Spielsachen, Bettwäsche und anderem Merchandising-Kram. Trotzdem wird T2 wohl niemals so erfolgreich sein wie der erste Terminator: Der kostete 1984 schlappe sieben Millionen Dollar und brachte weit mehr als das Zehnfache ein.

Teil I ist längst ein Kultfilm. Damals war Schwergewichtler Arnie noch der tumbe Bösewicht und als kybernetischer Organismus, als Cyborg, ideal besetzt. Er kam aus der Zukunft („einer möglichen Zukunft“) und hatte die Aufgabe, Sarah Connor (Linda Hamilton) zu meucheln, weil diese einen Sohn gebären würde, der später einmal, nach einem Atomkrieg, der Führer einer Rebellengruppe werden würde. Diese letzten überlebenden Menschen kämpfen im Los Angeles des Jahres 2029 gegen die Herrschaft der Maschinen. Der Terminator terminiert zwar mächtig, scheitert aber letztlich. Sarah überlebt, sie bringt ihr Kind zur Welt. Und nach dem überwältigenden Erfolg des Action- Thrillers heirateten Regisseur James Cameron und Produzentin Gale Anne Hurd: Sie hatten zusammen das Drehbuch geschrieben.

Obwohl Terminator in den USA viel Kritikerlob erntete ('Time‘ nannte ihn einen der zehn besten Filme des Jahres, 'Esquire‘ hielt ihn gar für den „wichtigsten Film der Achtziger“), konnten die meisten „seriösen“ Kritiker hierzulande mit dem Film nichts anfangen. Der Großteil beschwerte sich über den „maschinellen“ Charakter des Streifens. Claudius Seidl brachte es in der 'Süddeutschen Zeitung‘ auf den Punkt: „Mit solchen Monstern fertig zu werden, brauchte es früher gewiefte Kinohelden und phantasiebegabte Drehbuchautoren. Heute überläßt man so etwas den Special-Effects-Technikern. Filme wie Terminator nähren den Verdacht, daß die Maschinen längst die Macht übernommen haben, zumindest die in Hollywood.“ Damit hatte er natürlich recht. Nur: die Maschinen waren Kassenmagneten.

Daß es Terminator 2 geben würde, war folglich nie eine Frage. Die Devise war klar: Never change a winning team! Und diesmal ließ man die F/X-Spezialisten richtig von der Leine. Die Geschichte ist genauso unlogisch wie im ersten Teil: Der mächtige Abwehrnetzcomputer Skynet (wer will, kann ihn als SDI- Programm interpretieren), der den Atomkrieg ausgelöst hatte, ist sauer, weil die Sache mit dem Terminator nicht geklappt hat. Inzwischen hat er ein neues Modell, den T-1000, entwickelt und schickt ihn in die Vergangenheit, um Sarah Connors Sohn John zu töten. Die Rebellen haben einen alten Robo-Killer (genau: Arnie!) umprogrammiert und schicken ihn zum Schutz des Bengels ebenfalls durch den Zeittunnel. Folgt das altbekannte Schützenfest. Neu sind nur die Tricks.

Der T-1000 (benannt nach seinem Urgroßvater: einem Toshiba Laptop) besteht aus flüssigem Metall. Dieses bietet ihm die Möglichkeit zu beliebiger Metamorphose und Deformierung. Der Metallmann wurde von „Industrial, Light & Magic“ mittels computergesteuerter Graphiken erstellt. Damit die Dimensionen und Bewegungen des T-1000 genau mit denen des Schauspielers Robert Patrick übereinstimmen, wurde dieser nackt mit einem feinen Netz überzogen und Millimeter für Millimeter in jeder Position abgefilmt. Dieser Film wurde dann von einem Laser abgelesen, der die exakten Dimensionen seines Körpers in kleine Quadrate unterteilte und in den Computer gab. Im fertigen Film vermengen sich Patricks Bewegungen dann mit Modellen und Computer-Animation. Außerdem wurde für T2 das sogenannte „Digital Processing“ perfektioniert. Damit lassen sich bestimmte Einzelteile eines Filmbildes herausfiltern und einem anderen hinzufügen. Die Ergebnisse sind verblüffend: Terminator 2 zeigt, was heute auf der Leinwand alles machbar ist.

In den USA kam T2 fast durchweg gut weg. 'Variety‘ lobte die große Innovation des Films, 'Time‘ interpretierte ihn als „Macho-Film, der sich über das männliche Ego lustig macht“. Bei uns sehen die Kritiker die Sache wieder einmal komplizierter. 'Zitty‘ spricht von einem Produkt der „post-postmodernistischen neuen Unübersichtlichkeit“, und die

Kritikerin von 'epd-Film‘ beschwert sich, daß die „heroische Frauenfigur“ nicht zu ihrem Recht kommt — kein Wunder, wo doch selbst Arnies Busen größer ist als der der Hauptdarstellerin.

Terminator 2 ist Unterhaltungskino reinsten Wassers und garantiert ohne tiefere Bedeutungen: das Produkt geschäftstüchtiger Phantasie, einzig und allein geschaffen, um Geld zu scheffeln — trotzdem ist der Film amüsant und äußerst unterhalt

sam. Es ist eine jener Geschichten, „die uns eine Freude zurückgibt, die immer seltener wird“, wie Federico Fellini es einmal ausdrückte, „die Freude, die wir als Kinder empfanden, wenn wir eine Geschichte hörten, die unglaublich war, aber die wir gerne glaubten.“

James Cameron: Terminator 2 , mit Arnold Schwarzenegger, Linda Hamilton, Edward Furlong, Robert Patrick, USA 1991, 132 Min.

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