: Ein Tag frische Luft im Grenzwald
Umweltschützer aus Deutschland und der Tschechoslowakei blockierten den ewigen Brummi-Stau an der EG-Grenze/ Der eine Verkehrsminister zeigte sich gesprächsbereit, der andere schwieg ■ Aus dem Vogtland Detlef Krell
Nun ist wieder Alltag an der tschechisch-deutschen Grenze. Lastkraftwagen reihen sich kilometerweit ins Land; zwanzig Stunden und länger warten die Fahrer, bis sie vom Zoll an der EG-Außenhaut abgefertigt und in den Stau des Nachbarlandes geschickt werden.
Alltag auch wieder in den Grenzdörfern, wo die Kinder oft nicht wissen, wie sie ihre alte Dorfstraße überqueren sollen, wo die Brummi-Kolonnen nachts an den Scheiben rütteln und die Fenster besser geschlossen bleiben.
Alltag wohl auch im Bundesverkehrsministerium. Von dort verlautete lediglich, daß „Mann“ (!) solche Aktionen ablehne. Eine dezente Erinnerung an den Spruch des Volksbeschleunigers Krause, daß für Bürgerproteste gegen Straßenbau die Polizei zuständig sei. „Für uns war die Aktion dennoch ein Erfolg“, faßte Robin-Wood-Aktivist Hilmar Schneider den Tag zusammen. „Wir haben mit dieser Blockade ein politisches Zeichen gesetzt.“
Am Mittwoch blockierten AktivistInnen der Umweltorganisation Robin Wood, der tschechoslowakischen „Kinder der Erde“, vom 'ND‘, den Landesverbänden der bayerischen Grünen und des sächsischen Bündnis90/Grüne alle für Schwerlasttransporte zugelassenen Grenzübergänge zwischen der CSFR und Deutschland. Auf der handtuchbreiten, ausgefransten Asphaltstraße, die sich zwischen Schönberg im Oberen Vogtland und Vojtanov im Böhmischen durch den Wald schlängelt, verstellte Punkt acht Uhr ein Truck den Brummi-Kolonnen die Fahrt. Transparente verkündeten das Motto der gewaltfreien Aktion: „Der Umwelt dienen — Güter auf die Schienen“. Pech für die beiden griechischen Laster, die eben noch über den Grenzbach rollen wollten. Doch die Erregung der Fahrer legte sich bald. Von den etwa zwanzig jungen UmweltschützerInnen mit Frühstück bewirtet, erzählte einer: „Ich habe schon mal fünf Tage im Stau gestanden, da war keine Blockade. Es wird wirklich Zeit, daß hier etwas passiert.“ Selbst die Beamten des Bundesgrenzschutzes meinten, daß es „höchste Zeit wurde für so eine deutliche Aktion“.
Auf tschechischem Territorium erschienen der Landrat von Cheb und der zuständige Polizeikommandant. Der Politiker sagte für nächsten Sonntag ein Gespräch in Cheb zu, dazu lud er Robin Wood und die benachbarten Kommunen ein. Der Polizist forderte, sofort das tschechische Territorium zu verlassen. Daraufhin verstopften die Demonstranten das Nadelöhr von der anderen Seite. Denn noch immer standen Antworten aus, eingeklagt beim Bonner und beim Prager Verkehrsminister. Robin Wood und die „Kinder der Erde“ hatten in einem detaillierten Forderungsprogramm Grundzüge ökologisch fundierter Verkehrspolitik dargelegt und Alternativen für die Region unterbreitet. Sie forderten eine Zusage für einen Runden Tisch, um über die Verlagerung des Güterschwerlastverkehrs auf die Schiene, die Verbesserung und Erweiterung des Schienennetzes und das Verbot von Gefahrlasttransporten zu sprechen. Das in Prag tagende Verkehrsplenum der EG würde nach Auffassung der Umweltgruppen Gelegenheit geben, die Weichen europäischer Verkehrspolitik auf Ökologie zu stellen. Deshalb werden „Kinder der Erde“ und andere Bürgerbewegungen ab Sonntag in Prag zu einer Alternativen Verkehrskonferenz zusammentreffen und den EG-Parlamentariern ihre Forderungen überreichen.
Adéla Kubícková ist Gymnasiastin in Cheb und war mit mit einer Gruppe der „Kinder der Erde“ am böhmischen Grenzübergang. Adéla erzählte, daß es in ihrem Land noch schwierig sei, für grüne Themen eine Öffentlichkeit zu finden. Die Blockade des grenzüberschreitenden Verkehrsstaus war auch eine der ersten gemeinsamen Aktionen von Umweltgruppen beider Länder. Diese Zusammenarbeit soll fortgesetzt werden, kündigte Robin- Wood-Aktivist Oskar Blank an.
Verkehrsminister Krause (CDU) scheint sehr viel weniger davon zu halten. Während sein Prager Amtskollege Novotny den tschechischen BesetzerInnen des Grenzübergangs Rozvado/Waidhaus ein Gespräch zusagte, drang aus Bonn nur Schweigen ins verregnete Vogtland. Dort drohte in den Nachmittagsstunden doch noch Gewalt aufzukommen, als sich die Kraftfahrer, vom bevorstehenden Feierabend ihrer Speditionsbüros beunruhigt, gegen die DemonstrantInnen zusammenschlossen. Um 16 Uhr fiel dann die Blockade: der Weg in den Stau war frei.
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