INTERVIEW: „Gängige Praxis, daß die Öffentlichkeit nichts erfährt“
■ Erich Schmidt-Eenboom, Mitarbeiter im Forschungsinstitut für Friedenspolitik in Weilheim, zum BND-Skandal
taz: Der Bundesnachrichtendienst versucht konspirativ, modernstes sowjetisches Kriegsgerät nach Israel zu verschieben — der Deal fliegt auf, und von offizieller Seite müssen wir hören, daß es sich im Grund um einen normalen Vorgang handelt?
Erich Schmidt-Eenboom: Davon muß man leider sprechen. Sie müssen sehen, daß die Israelis beipielsweise in den Nahost-Kriegen jede Menge sowjetischer Waffen erbeutet haben, ebenso die Franzosen im Süd-Tschad bei militärischen Auseinandersetzungen mit Libyen oder daß sowjetische Piloten mit Kampfflugzeugen vom Typ MIG-23 nach Japan geflohen sind. Solches Wehrgerät landet regelmäßig zur näheren Untersuchung auch bei der Bundeswehr, allen voran bei der wehrtechnischen Dienststelle in Manching, die für Flugerprobungen zuständig ist. Schon zu Hochzeiten des Kalten Krieges sind jede Menge sowjetischer Kampfflugzeuge erprobt worden.
Gehört zur gängigen Praxis auch, den Export von Waffensystemen falsch zu deklarieren, so wie es jetzt im Hamburger Hafen geschehen ist?
Es ist gängige Praxis, daß die Öffentlichkeit davon nichts erfährt. Wer weiß schon, daß in Manching MIG-23 Flieger getestet wurden. Man versucht auch hier, dem Gegner vorzuenthalten, daß man Informationen über ihn gewinnt.
Die jetzt aufgeflogene Schieberei macht nur Sinn, wenn es sich um Waffensysteme handelt, über die der israelische Geheimdienst bisher keine Informationen verfügt.
Den sowjetischen Kampfpanzer T-72 zu exportieren, würde Sinn machen. Die Isaelis haben in der letzten Woche davor gewarnt, daß Syrien über Ungarn und die Sowjetunion 300 dieser Panzer kauft. Mit dem geplanten Export könnte Israel dieses Gerät kennenlernen.
Der Logik entsprechend müßte die Bundesregierung auch das modernste sowjetische Kampfflugzeug, die MIG-29, weitergereicht haben, nachdem er der Bundeswehr über die deutsche Einheit zugefallen ist.
Das ist längst geschehen. Es sind jede Menge Hubschrauber und Flugzeuge der früheren NVA an die Amerikaner übergeben worden. Erst vor einem Monat hat die Bundesluftwaffe sowjetische Kampfflugzeuge nach Ramstein geflogen, die dort zerlegt und anschließend in die USA gebracht wurden. Dort werden sie zu sogenannten „red flag“- Verbände zusammengestellt, um die eigenen Verbände an den „gegnerischen“ üben zu lassen.
Die Waffenverschieberei geht ja nun auf das Konto des Bundesnachrichtendiensten. Wenn es sich tatsächlich, wie behauptet, um einen normalen Vorgang handelt, hätte es sich doch angeboten, die Waffenhilfe über das Auswärtige Amt abzuwickeln.
Solche Aktione werden im BND als Auslandsoperation begriffen. Das Auswärtige Amt hat zwar Zugang zu Diplomaten, aber die Kanäle für Waffenschiebereien sind dem BND durchaus vertrauter. Man kann überspitzt formulieren: Immer wenn etwas Demokratieneutrales abgewickelt wird, dann wird der Bundesnachrichtendienst eingeschaltet. Besonders betroffen macht mich die dreiste Erklärung des Regierungssprechers, wonach die ganze Aktion allein schon wegen der geringen Menge kein Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz sein soll. Das ist juristisch reichlich unausgegoren. Das Kriegswaffenkontrollgesetz verbietet den Export von Kriegsgerät unabhängig von der Menge.
Wenn solche Waffentransfers regelmäßig an der Tagesordnung sind und gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen, heißt das in der Konsequenz, daß die Bundesregierung fortwährend gegen die Exportbestimmungen verstößt.
Der Schwerpunkt lag bisher beim Import, beim Testen von Waffensystemen, die Amerikaner, Israelis oder Franzosen zur Verfügung gestellt haben. Nachhaltigen Export treibt die Bundesregierung erst, seit sie im Besitz von NVA-Waffen ist. Das Kriegswaffenkontrollgesetz verbietet auch nicht den Export in andere Nato-Staaten. Diese Waffen werden zudem nicht verkauft, sondern verschenkt. Hier stellt sich allerdings die Frage nach der haushaltsrechtlichen Seite. Immerhin werden hier, wenn der Verdacht T-72 Panzer richtig ist, Waffensysteme im Wert von etwa 20 Millionen Dollar ohne Beteiligung des Parlaments einfach so im Ausland verschleudert. wg
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