Denk-Mal am Bau

■ Prof. Norbert Huse in der Lessing-Hochschule

Seine Geschichte kann man sich nicht aussuchen und zu ihr gehört nun mal das Dunkel und damit auch die ‘unbequemen Baudenkmale‚.« Auf Tendenzen, Geschichte städtebaulich zu entsorgen, verwies der Architekturhistoriker Prof. Norbert Huse in seinem Vortrag Unbequeme Baudenkmale aus der Vortragsreihe DenkMal Berlin — Aspekte zur stadtplanerischen und baulichen Weiterentwicklung Berlins der Lessing-Hochschule.

Während man heute der jüngsten Vergangenheit, den Errungenschaften des SED-Regime nichts Positives abgewinnen will, hat sich das Verhältnis zu den Hinterlassenschaften der NS-Zeit bereits gewandelt. Da zitiert Huse einen Mitarbeiter des Senators für Stadtentwicklung, der die Olympiabauten als architektonisch gelungene Sportanlagen zu legitimieren sucht: Das Olympiajahr 1936 würde durch die »kulturelle Potenz der 20er Jahre« überstrahlt und könne damit problemlos in die Planungen für Olympia 2000 einbezogen werden. Daß dieses »Reichssportfeld« nicht nur für Sport, sondern auch für Kult und Blutopfer stand, scheint vergessen.

Für die Baudenkmale der letzten 40 Jahre findet sich heute noch keine so schöne Rechtfertigung, und so müssen sie dem »Volkszorn von oben« zum Opfer fallen, wie das Lenindenkmal oder der Palast der Republik.

Mit folgenden Beispielen stellt Huse die Vorstellung in Frage, die ostdeutsche Nachkriegsarchitektur sei im Gegensatz zur westlichen gänzlich verwerflich:

Gleich nach dem Krieg habe man nämlich in beiden Teilen Deutschlands nicht so recht mit der Moderne umzugehen gewußt. Erst auf die Verdammung der Moderne durch Walter Ulbricht polarisierte sich die Architekturauffassung der beiden Deutschlands. Ulbricht bezeichnete das Bauhaus als Verschwörung amerikanischer Kapitalisten gegen den Sozialismus. Erst damit wurde es im Westen populär gemacht, ein Art kalter Baukrieg begann: Gegen die steinerne Monumentalität der Stalinallee in Ost-Berlin suchte man im Westen nach den offenen und freien Strukturen und antwortete mit der Kongreßhalle, dem Scharounschen Kulturforum und dem Hansaviertel — dafür wurde das alte Hansaviertel aus der »bösen Gründerzeit« abgerissen. Der Osten reagierte mit dem Alexanderplatz auf den Ernst-Reuter-Platz, mit den Hochhäusern an der Leipziger Straße auf das Springer-Haus an der Mauer.

Ebenso obsolet wie die Überheblichkeit des Westens, was die qualitativen Unterschiede in der Stadtplanung betrifft, ist für Huse die »Repositivierung der Stadt«, um die man heute so heftig bemüht ist. Bedeute der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses oder der Schinkelschen Bauakademie nicht, Stuckornamente an Stahlbetonwänden zu montieren. Bedeute diese Hommage an Schinkel nicht auch eine zweifelhafte Glorifizierung Preußens?

Zuletzt wollte der Münchner Architekturhistoriker auch an das Erbe der Industriestadt Berlin erinnern. Er plädierte für ein treuhänderisches Bewahren der Industriedenkmale — womit er ganz und gar nicht auf den rein ökonomisch orientierten Umgang der Treuhand mit Industrieanlagen à la Narva-Werke anspielen wollte. Als Beispiel führte er Großbritannien an, wo man darum bemüht ist, die Produktion in denkmalgeschützten Industrieanlagen aufrechtzuerhalten, wenn es auch nicht im betriebswirtschaftlichen Sinn rentabel ist. Ähnliches aus Baden-Württemberg: Hier wird der Erhalt von Baudenkmalen solange finanziert, bis sich eine sinnvolle Nutzung finden läßt. Denkmale dürfen nicht aus der Gegenwart ausgeschlossen werden, wobei der Begriff »denkmalverträgliche« Nutzung heute oft zu weit gefaßt werde. So dürfen aus der Spreelandschaft keine »Docklands« werden. Lilli Thurn und Taxis