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Herumdoktern beim ZDF

■ Vorabendprogramm '92 mit unterhaltsamen Schicksalsschlägen

Am 3. Januar, so kurz vor 20 Uhr, wird es passieren: Dr.Karsten Mattiesen, als Landarzt während der letzten Jahre für das ZDF unermüdlich hinter dem Deich im Einsatz, gibt den Löffel ab! Bei der tollkühnen Rettung eines verunglückten Kindes rafft es ihn unwiderruflich dahin. Aus? Ende? Mitnichten. Nur weil Christian Quadflieg des Herumdokterns müde ist/war, muß ja nicht gleich eine ganze Serie sterben. Und so übernimmt denn nach einer Folge Trauerarbeit schon in der dritten Episode der neuen 13teiligen Staffel ein gewisser Dr.Ulrich Teschner alias Walter Plathe Landarzt-Praxis und Zuschauerherzen. Der Landarzt ist tot. Es lebe der Landarzt.

Überhaupt setzt das ZDF beim Vorabendprogramm auch im kommenden Jahr überwiegend auf Bewährtes. Auch vom verständnisvollen Oberförster im Forsthaus Falkenau und dem kauzigen Veterinär aus Ein Heim für Tiere wird es nagelneue, markerschütternde Episoden zu bestaunen geben. Daneben flimmern als unvermeidliche Wiederholungen über die Mattscheibe: Ein Fall für Zwei, und auch die Mallorca- Schmonzette Hotel Paradies ist in alter Frische aus der Konserve zu bewundern. Schließlich wäre es von den Mainzern auch nur töricht, den mühsam erarbeiteten Spitzenplatz vor ARD und RTL in der Vorabend- Unterhaltung durch waghalsige Experimente aufs Spiel zu setzen.

So gab sich Josef Göhlen, seines Zeichens Hauptredaktionsleiter des „Vorabend“ beim ZDF, anläßlich der Präsentation des 92er Jahrgangs der mehrheitsfähigen Schicksalsschläge in der vergangenen Woche auch hochzufrieden. Und da es bei Sendeanstalten inzwischen Usus ist, konzeptionelle Hintergedanken, die aus mehr als zwei zusammenhängenden Sätzen bestehen, als „Philosophie“ auszugeben, lieferte Göhlen die hauseigene „Philosophie des Vorabend-Programms“ gleich mit: „Die Serie lebt! Wir setzen auf Bewährtes mit einigen neuen Facetten! Qualitätsmerkmal ist die Quote. Dazu stehen wir!“

Aber da selbst bewährte Hausmannskost bisweilen neue Verpackungen braucht, wartet das ZDF im kommenden Jahr natürlich auch mit einer Reihe von neuen Vorabend- Dauerläufern auf. So will man beispielsweise mit Regina auf den Stufen nach einem Roman von Utta Danella (ab 7.1.) dem „Trend zu Frauengeschichten“ (Göhlen) Rechnung tragen und mit Unser Lehrer Dr.Specht einen weiteren Versuch unternehmen, auch die Jugend zu früher Fernsehstunde vor die Mattscheibe zu locken. Als Pädagoge mit Fahrrad, Blue Jeans, kessen Sprüchen und radikal „modernen“ Ansichten geht Ex-Pastor Robert Atzorn ab 7.1. jeden Dienstag auf Quotenfang.

Des weiteren im neuen Serienangebot: Karl May, ein Sechsteiler anläßlich des 150. Geburtstages des Winnetou-Paten (ab 22.2.), Das Auge Gottes, eine Geschichte um einen Fotografen, mit der Fließband- Autor Herbert Reinecker sein Debut im Vorabend-Programm gibt (ab Herbst '92) und Der Millionär mit Ivan Desny als herzensguter Wohltäter für alle, die nie im Lotto gewinnen (Ende '92). Und als Schmankerl für die erste Januarwoche: Die Löwen der Alhambra. Eine sechsteilige, deutsch/italienisch/französische Co-Produktion mit 5.500 StatistInnen, 900 ReiterInnen, 1.200 Pferden, 80 Kamelen und mittenmang uns Hotte Buchholz als feuriger Maurenprinz.

Doch bemerkenswerter als all jene unterhaltsamen Schicksalsschläge zum Feierabend, bleibt letztendlich die wesentliche Neuerung, daß das ZDF in seinem neuen Programmschema für den Vorabend im kommenden Jahr einen zusätzlichen, einnahmeträchtigen fünften Werbeblock untergebracht hat. Das freut die Wirtschaft, das ZDF und auch den gemeinen Zuschauer, der schließlich nicht nur unterhalten, sondern auch umfassend informiert werden möchte. Reinhard Lüke

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