: Der Auto-Mensch an sich
■ Experten entschlüsseln rätselhaftes Verhalten im Verkehr
Hamburg (taz) — „Die Stadt ist ein bißchen verstopft heute, wir warten noch“, so eröffnet Professor Erich Lang die Pressekonferenz der Verkehrsexperten. Wir warten natürlich auf die Autofahrer. Der Mensch im Straßenverkehr ist ein eigenartiges Wesen. Er fühlt sich durch Autos und Motorräder viel stärker belastet als durch öffentliche Nahverkehrsmittel oder Fahrräder, aber es macht ihm viel mehr Spaß, mit dem eigenen Motor durch die Gegend zu flitzen als mit Bus oder Bahn. Das fand der Psychologe Dr. Klaus Arnold bei einer Befragung von 1957 Verkehrsteilnehmern heraus. Über seine Erkenntnisse berichtete er auf der Tagung „Der Mensch im Straßenverkehr“, die gestern im Hamburger Kongreßzentrum begann. Der medizinische Aspekt des Kongresses ist nicht sofort zugänglich; „Infarkt“ und „Kollaps“ auf den Straßen sind nicht sein Thema, aber auf den zweiten Blick wird klar: Es geht letztendlich um Unfallopfer und Verkehrstote, auch wenn Psychologen und Polizeibeamte vor allem über den Menschen hinterm Steuer sprechen. Der fährt riskanter, wenn er männlich ist und neben ihm eine Frau sitzt, wohingegen sich Frauen mit männlichen Beifahrern eher vorsichtiger verhalten, erkannte Prof. Georg Rudinger vom Psychologischen Institut der Universität Bonn. Der Mensch in mit airbag und Antiblockiersystem gesicherten und schallisolierten Karossen wiege sich in Sicherheit und fahre aggressiver.
Aber wie ist dem motorisierten Menschen beizukommen? Soll man den Fahrern in ihren geräuschgedämpften Autos Straßenlärm oder gar Informationen über Geschwindigkeitsbegrenzungen senden, um sie in die Realität zurückzuholen? Solche Beeinflussung oder gar Restriktionen lehnen die Verkehrsexperten übereinstimmend ab. Sie setzen auf positive Verstärkung, wie Bonner Polizisten, die in einem Modellversuch im Diplomatenstadtteil Bad Godesberg korrektes Fahren durch positive „Knöllchen“ in Gestalt von Hyazinthenzwiebeln belohnten. Vera Stadie
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen