: Städtetag warnt vor Erstickungstod
■ „Lastwagen und Pendler raus aus der City!“/ Heidelberg Vorbild für künftiges Immissionsschutzgesetz
Dortmund/Berlin (afp/taz) — Der Vizepräsident des deutschen Städtetages und Oberbürgermeister von Hannover (SPD), Herbert Schmalstieg, will Berufspendler und Lastwagen aus den Innenstädten verbannen. Die Zahl der Fahrzeuge müsse auf den „notwendigen Wirtschaftsverkehr“ beschränkt werden, forderte er in einem Zeitungsinterview. Voraussetzung seien allerdings ein Konzept und der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. „Wir müssen aufpassen, daß unsere Städte nicht im Verkehr ersticken“, sagte Schmalstieg. Aus Sicht des Städtetags wäre es hilfreich, wenn das Bundeskabinett eine Verordnung von Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) verabschieden würde.
Die Bundesregierung will eine Verordnung nach Paragraph 40, Absatz 2 des Bundesimmissionsschutzgesetzes erlassen, die für Straßen bestimmte Grenzwerte bei Schadstoffen festlegt. Stellen die Straßenverkehrsbehörden Überschreitungen dieser Werte fest, können, sollen und müssen sie den Verkehr auf bestimmten Straßen oder in bestimmten Gebieten beschränken oder gar ganz verbieten.
Vorbild für Töpfers Verordnung sind die Städte London, Heidelberg, Saas-Fee und die Brennerstrecke in Österreich. Die Alpenrepublik hat mit unzähligen Auflagen den Verkehr am Brenner für die Anwohner erträglicher gemacht. London sperrt zeitweise ganze Stadtviertel für Lastwagen, Heidelberg wird in Etappen verkehrsberuhigt, und Saas-Fee in der Schweiz hat alle Autos auf Parkplätze am Ortsrand verbannt. Die Folgen für Verkehr und Versorgung sind erstaunlicherweise harmlos, meinen unisono PolitikerInnen und GeschäftsinhaberInnen aus den betroffenen Städten.
London beispielsweise hat schon 1983 im Stadtgebiet alle Lastwagen über 16 Tonnen von 21 bis 7 Uhr, samstags ab 13 Uhr und sonntags ganztägig verboten. Ausnahmen werden nur selten erlaubt. Der Verkehr in der Londoner Innenstadt wurde dadurch um 25 Prozent gesenkt, in den Außenbezirken um 15 Prozent. Der Lärmpegel sank um 8 Dezibel. Dabei kam es weder zu Riesenstaus vor 7 Uhr rund um London noch zum befürchteten Verlust von 40.000 Arbeitsplätzen.
In Heidelberg werden bis 1992 zehn Kerngebiete als Lärmschutzzonen für laute LKW fast ganz gesperrt; sie dürfen dann nur noch von 7 bis 11 Uhr anliefern. Bereits seit vier Jahren setzt Heidelberg „geräuschgekapselte“ Busse mit Rußfiltern ein und fördert „Lärmdämmungspakete“ für private Nutzfahrzeuge mit jeweils 4.000 Mark vom Land und 500 Mark von der Stadt, wenn sich die Fahrer verpflichten, den LKW mindestens drei Jahre in Heidelberg einzusetzen. Umweltminister Töpfer sieht in Heidelbergs Vorreiterfunktion ein nachahmenswertes Modell für andere bundesdeutsche Städte. itz
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