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Das Radio

■ Von Rahel von Wroblewsky

Ich habe es gewußt. Immer, wenn ich es so gut vorbereitet hatte, wenn ich mein Kleid aus dem Schrank nahm, das graugrüne mit dem guten Sitz, wenn ich die Augen sorgfältig geschminkt und die Lippen rot nachgezogen hatte, ging es schief. Irgend etwas klappte nicht, so als hätte sich alles gegen mich verschworen.

Hätte ich bloß diese Uhr nicht gekauft, hätte ich bloß nicht auf John gehört, der vor dem Schaufenster aufschrie: »Mensch, sieh mal, das ist ja ein heißes Teil, das mußt du unbedingt kaufen!«

Dieses wahnsinnig teure Ding, das gleich am nächsten Tag kaputtging, mit einem kurzen Knall, als ich es aufziehen wollte, und dann stand es — nichts zu machen! Und was habe ich alles probiert! Freunde genervt, Anzeigen in die Zeitung gesetzt, alle Uhrmacher dieser Stadt abgegrast und mit ihnen geflirtet bis zum Umfallen, doch auch wenn sie sich Mühe gaben — dieses blöde Teil war und blieb kaputt.

John war auf die Idee mit dem Feuerzeug gekommen. John hatte es mir besorgt, auseinandergenommen und ein Rädchen beiseite getan, so daß es noch ganz passabel aussah, aber einfach kein Feuer gab. Ich nehme das Feuerzeug vom Tisch, stecke es in meine Tasche, werfe einen prüfenden Blick in den Spiegel und verlasse das Haus.

Es regnet, auch das noch, dieser verdammte Herbst, daß der immer so regnerisch sein muß, mißmutig hole ich meinen Schirm heraus und marschiere zum Café. Ich gehe zu jenem in der Wilhelmstraße, auch das hat mir John empfohlen, »da sitzen immer einige Techniker drin«, sagte er mir mit verschmitztem Blick, doch als ich im Café angekommen bin, sieht es nicht gut aus.

Einige Touristen, eine ältere Dame und zwei einzelne Männer, die nun tatsächlich nicht wie Techniker aussehen. Doch, da, der hinten in der Ecke — der könnte es sein! Lächelnd gehe ich zu seinem Tisch, frage nach einem freien Platz, setze mich und blicke verstohlen auf meine Armbanduhr: ich habe noch 2 Stunden Zeit bis das Café schließt. Dann hole ich eine Zigarette hervor.

Das Feuerzeug — wie erwartet — gibt zwar Funken, doch kein Feuer. Auffällig schüttle ich das Ding und werfe zwischendurch einen verzweifelten Blick zu ihm hinüber. Es funktioniert.

»Darf ich Ihnen helfen?« fragt er besorgt und nimmt mir das Feuerzeug aus der Hand. Jetzt — jetzt gleich wird er es untersuchen, auseinandernehmen, den Fehler finden und angeregt vorschlagen, das fehlende Rädchen zu besorgen. Dann werde ich ihn, natürlich ganz nebenbei, noch alten Uhren fragen, was man so tut, wenn sie nicht funktionieren, ich hätte da so eine, so ein elendes Ding.

Ruhig nimmt er das Feuerzeug, lehnt sich zurück und wirft es in hohem Bogen hinter sich, es landet in irgendeinem Glas, es klingt jedenfalls so. Dann holt er eine Streichholzschachtel hervor und gibt mir Feuer. »Ich hasse Feuerzeuge«, sagt er grinsend. »Auch Uhren?« frage ich schüchtern, und nehme einen tiefen Zug von meiner Zigarette. Er nickt.

Ich werde dieses Ding wegschmeißen, gleich morgen, als erstes, wenn ich aufgestanden bin. Es hat keinen Sinn. Im übrigen war ich schon immer der Meinung, daß es eigentlich ein Radio ist, John wollte es mir nur nicht glauben.

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