: Standbild: Mehr als Öko-Disneyland
■ "Die Arche unter Glas", Di., 19.30, ZDF
Bionauten sind Weltraumreisende, die ihr Schnitzel nicht püriert aus der Tube, sondern direkt vom Schwein bekommen. Noch bleiben sie auf der Erde, genauer gesagt: in einer gigantischen Glas-Stahl-Konstruktion, die mit der Postadresse „Biosphere2“ in der Wüste Arizonas steht. Vor einhundert Jahren zogen hier noch Goldgräber umher. Kinder, wie die Zeit vergeht!
Zwei Jahre lang werden vier Frauen und vier Männer — allesamt Singles, Beziehungen sind erlaubt — in dieser komprimierten Welt aus tropischem Regenwald und Wüste, mit Palmen, Strand und Meer leben. Später einmal soll das Ganze zum Mars fliegen. Und weil der Astronaut nicht alles im Rucksack haben kann, nimmt der Bionaut das Natürliche der Erde einfach mit: Hühner, Ziegen und Forellen, Südfrüchte, Kaffee und Reis begleiten ihn auf seinem Trip.
Da werden wir den Marsbewohnern schon zeigen, was unser Planet zu bieten hat. Zum Beispiel Maß- Overalls fürs Personal. Unterhaltungselektronik und Designer-Möbel — alles an Bord. Mittelpunkt und meist beanspruchter Ort soll die High-Tech-Küche vom deutschen Hersteller sein. Ist also doch alles nicht viel anders als bei den Beimers?
Die „Arche unter Glas“ ist ein computergesteuertes Zusammenwirken von hochkomplizierter Technik und Natur in ihrer ursprünglichen und funktionierten Form. Die 3.800 verschiedenen Tier- und Pflanzenarten leben im gegenseitigen Nutzen zuammen, der Abfall wird kompostiert, nicht einmal Toiletten existieren. Ob es sich dabei um ein „ökologisches Disneyland“ handele, bejaht der gefragte Wissenschafter: „Wir brauchen mehr Show.“
Für zehn Dollar pro Besucher ist sie — zumindest von außen — zu besichtigen. Eine Million Neugieriger jährlich erwartet man. Ihre Eintrittsgelder werden die Baukosten von 150 Millionen Dollar nicht decken. Das Geld kam von privaten Investoren, vornehmlich einem „texanischen Milliardär mit einem Faible für die Umwelt“.
Hier hat er viel in die Zukunft investiert. Die Frage, ob auch die gegenwärtige Umwelt vom Faible des Texaners profitiert, stellt Joachim Streifinger in seinem Film allerdings nicht. Informativ in Text und Bild, mit staunendem Respekt vor dem technischen Aufwand, berichtet er die Fakten. Für das Interesse, ob hier ein Milliardär vielleicht in eine neue Generation von Atombunkern investiert, wäre dennoch Platz gewesen.
Es gab ein großes Fest, bevor die Bionauten für zwei Jahre in ihre künstliche Welt der High-Tech-Natur entschwanden. Und für einen Augenblick schien es, als klemme die Tür, die man hinter ihnen schloß. Achim Becker
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