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Vermittlungsbörse für Karrieren

■ Zwölf Bremer Firmen riefen zum „Kontaktgespräch“ und 4.000 StudentInnen standen Schlange

Mitten im Chaos, das im Senatssaal der Bremer Uni ausgebrochen ist, beginnt womöglich gerade die berufliche Karriere von Sabine, Studentin der Betriebswirtschaft: Am Kontakt-Counter stehend, vereinbart sie gerade mit dem Personalchef der Bremer Bank ein längeres Vorstellungsgespräch in der nächsten Woche. Der Chef ist ziemlich angetan von der potentiellen Bewerberin: „Sie passen in unser Haus!“ Das ist ihm nach dem kurzen Gespräch im Gewühl klar.

Zwölf große Bremer Firmen hatten gestern zum Firmenkontaktgespräch gerufen — und hunderte StudentInnen drängelten sich im viel zu kleinen Senatssaal. Von der Telekom über den Vulkan bis zu Mercedes war an Messeständen präsent, was in Bremen gutdotierte Arbeitsplätze „in der freien Wirtschaft“ bietet. Motto der Karrieren-Vermittlungs- Börse: „Looking forward“.

„Hier wird man nicht so in die Bittstellerposition gedrängt“, sagt Susanne, kurz vor dem Abschluß ihres Bremer Studiums im Fach „European Finance and Accounting“. „Eine Atmosphäre weitab vom Zwang üblicher Bewerbungsgespräche“ lobten auch andere der künftigen Absolventen aus Wirtschafswissenschaft, Jura, Informatik und Ingenieurwesen, die gestern zum ersten gegenseitigen Abchecken auf die Personalchefs der Großunternehmen trafen.

„Über 4.000 StudentInnen sind schon gekommen“, schätzt der Mitorganisator der Firmenkontaktgespräche, Andreas Ollmann von der „Vereinigung der an Wirtschaft interessierten Studenten“ AIESEC, am Nachmittag. In dem Raum mit den zwölf Ständen drängeln sich meist über 300 Leute. AIESEC, „eine Quelle von Frieden und Fortschritt durch den Austausch von businessmen mit students“, zitiert die Selbstdarstellungs-Broschüre den Ex-US-Präsidenten Dwight Eisenhower.

„Ich bin bisher zu feige gewesen, mal eine Firma anzusprechen. Man denkt ja immer, man hat noch so viel Zeit“, erzählt Sabine, für die ein Trainee-Platz bei der Bremer Bank plötzlich greifbar ist — obwohl sie gar keine Banklehre hat. Erstaunt hat sie die Reaktion des Personalchefs zur Kenntnis genommen: „Das ist mir doch völlig egal.“

Von „Trainee-Programmen“, „Training-on-“ und „Training- off-the-Job“, und nicht zuletzt vom ungefähren Anfangsgehalt ist in den Broschüren die Rede, mit denen sich die Firmen schon am Eingang in Kurzform präsentieren. Für die Firmen laufen solche Aktionen unter dem Motto „Führungskräfte vom Markt einkaufen“, meint Herr Köster, Personalchef der Dresdner Bank. Die frühe Bindung an einen Betrieb geht meist über Praktika: Anschließend schreiben die PraktikantInnen dann ihre Diplomarbeit über ein zusammen mit der Firma ausgewähltes Thema und werden dabei mit Material des Betriebes unterstützt.

Die beiden begehrtesten Stände waren gestern die von Mercedes und Jacobs-Suchard. „Aber“, so beklagen sich zwei Studentinnen, „die sind dermaßen belagert, da hat man höchstens die Chance, sich einen Prospekt rauszugrapschen...“ Besonders um die am Nachmittag stattfindenden Einzelgespräche reißen sich die StudentInnen, einige wenige werden schließlich ausgelost. In zwei Stunden sind bei weitem nicht alle InteressentInnen unterzubringen.

Susanne und Monika sind nicht dabei — „Da haben wir uns eben auf den nächstbesten freien Stuhl gesetzt.“ Und sich beim Geschäftsführer der mittelständigen Firma Steinbruch und Berninghausen wiedergefunden: „Der hat mir ganz provokativ einige Dinge an den Kopf geworfen, und ich hab' ihm Kontra gegeben“, erzählt Monika. Und hinter ihrer Adresse prange nun ein dickes Ausrufungszeichen — „In einem Bewerbungsgespräch hätte ich wohl nicht so reagiert...“ Susanne Kaiser

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