: Keine neuen Rechte für US-Banken
Schmalspur-Gesetz zur Bankenreform verabschiedet/ Die Branchenkrise schwelt weiter ■ Von Nicola Liebert
Berlin (taz) — Besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach — so lautete die Reaktion in der US- Finanzwelt auf die nach zehnmonatigem Tauziehen endlich verabschiedete Bankenreform. Einen deutlich abgespeckten Entwurf hatte der Kongreß vergangene Woche passieren lassen. Das umfassende Gesetzespaket, das Finanzminister Nicholas Brady bereits im Februar vorlegte, war vom Repräsentantenhaus zweimal abgeschmettert worden, zuletzt Anfang November. Ziel des von George Bush unterstützten Entwurfs war es, die vor sich hin schwelende Krise des amerikanischen Bankensystems zu beenden und die verlorene internationale Konkurrenzfähigkeit der US-Banken wieder herzustellen. Über 1.000 Kreditinstitute mußten in den letzten fünf Jahren Bankrott anmelden. Die Bankenkonkurse haben das Land runde 100 Mia. Dollar gekostet, die 500-Milliarden-Dollar- Pleite der amerikanischen Sparkassen gar nicht mitgerechnet. Für 1992 wird weiteren 200 Banken der Zusammenbruch vorausgesagt.
Vordringlichstes Anliegen der Fachleute ist die Sanierung der staatlichen Versicherung für Spareinlagen, der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC). Auf Grund der Bankencrashs wäre diese spätestens Ende dieses Jahres ebenfalls vor der Pleite gestanden. Gefordert wurde auch, die 1927 gesetzlich festgeschriebene Begrenzung der Banken auf einen Bundesstaat aufzuheben. Nach wie vor hat diese an sich nicht unsympathische Auffassung, dadurch die Macht der Geldinstitute zu beschränken, in den USA viele AnhängerInnen — nur verträgt sie sich nicht mit dem Wunsch der Banker, Hauptdarsteller in einer kapitalistischen Weltwirtschaft zu spielen. Die Unternehmensberater McKinsey schätzen, daß ohne diese Beschränkung die Banken jährlich zehn Milliarden Dollar an laufenden Kosten sparen könnten. Die Kreditinstitute versuchen, die Begrenzung durch eine Fusionswelle zu umgehen.
Das seit 1933 geltende Expansionsverbot in das Wertpapier- und Versicherungsgeschäft, so argumentierten Regierung und Banker, sei seit jeher ein Handicap für die Banken. Der Bankengesetz-Entwurf sollte ihnen die Tür in die lukrativen Geschäftszweige öffnen. Doch Brady wollte nicht nur die Geschäftszügel lockern, sondern auch die Bankenaufsicht nach deutschem Muster effektivieren. Wie löchrig die Überwachung ist, haben die dunklen Machenschaften der BCCI-Bank bewiesen. Gemessen an dem, was der Brady-Entwurf vorsah, stöpselte der Kongreß lediglich ein Schmalspur- Gesetz zusammen. Vor allem die Lobby der Versicherungsunternehmen und Wertpapierhäuser hatte den großen Wurf verhindert. Auch die kleinen Banken torpedierten alle Bemühungen, den großen Geldinstituten durch das sogenannte interstate- banking, also eine Ausdehnung über die Bundesstaatsgrenzen hinaus, Vorteile zu verschaffen. Das verabschiedete Bankenreformgesetz, mit dem nun niemand so recht zufrieden ist, sieht nun so aus:
—Die Kapitalbasis der staatlichen Einlagenversicherung FDIC wurde aufgestockt; bis zu 70 Milliarden Dollar kann der Versicherungsfonds nun an Krediten aufnehmen.
—Bis 1994 sollen sich die Bankenregulatoren ausdenken, wie eine Risikogewichtung für die Versicherungsprämien, die die Banken an den Fonds zu zahlen haben, eingeführt werden kann.
—Die Bankenaufsicht wird verschärft; alle Kreditinstitute sollen nun mindestens einmal im Jahr kontrolliert werden. Die Aufseher können in die Bankgeschäfte eingreifen, sobald eine Untergrenze der Kapitalausstattung unterschritten wird.
—Vor allem die Aufsicht über die Niederlassungen ausländischer Banken in den USA wird in der Folge des BCCI-Skandals verbessert.
Die archaische Begrenzung auf einen Bundesstaat und das Verbot, sich im Wertpapier- und Versicherungsgeschäft zu engagieren, wurden jedoch beibehalten. Ob die nur leicht verschärfte Bankenaufsicht den reihenweisen Bankenkollaps verhindern wird, wird bezweifelt. Das Bankensystem der USA hat die in den Reagan-Jahren so populäre Deregulierung nicht verdaut. Diese hatte Anfang der 80erJahre zu einer stärkeren Konkurrenz der Banken untereinander geführt; die Kontrolle wurde dabei jedoch vernachlässigt. Die Banken stürzten sich daraufhin in immer riskantere Geschäfte, allen voran die völlig enthemmten Sparkassen, die dann als erste bankrott gingen. Insbesondere bei Immobilienspekulationen und den berüchtigten Firmenübernahmeschlachten kam bald Katzenjammer auf; zugleich bereiteten die faulen Kredite an die Entwicklungsländer den Banken immer größere Probleme. Mittlerweile gilt über ein Viertel der US- Kreditinstitute als gefährdet. Finanzminister Brady hat sein Ziel verfehlt; das jetzt verabschiedete Gesetz wird die Probleme des US-Bankensektors nicht beheben können. Im nächsten Jahr soll das Tauziehen in die nächste Runde gehen.
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