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Verrat und grüner Klientelismus

■ Betr.: Ampelkoalition

FDP und SPD sollen ruhig wissen, daß die ökologische und demokratische Bewegungen in Bremen von den Koalitionsverhandlungen mehr erwartet, als das, was die beiden Ampelpartner den GRÜNEN zugestehen wollen. Doch auch wenn die GRÜNEN den kräftigen Rückenwind der Initiativen brauchen, sind sie gut beraten, nicht in einen falschen Opportunismus gegenüber einem grünen Klientelismus zu verfallen.

„Fauler Kompromiß“ wirft z. B. der GNUU (Gesamtverband Natur- und Umweltschutz) den grünen Ampelverhandlern in der Frage der Außenweservertiefung zu. Was ist eigentlich daran auszusetzen, daß das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung abgewartet werden soll? Landauf, landab haben Ökoinitiativen seit Jahren darum gekämpft, daß Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt werden. Nachdem dieses Ziel gesetzlich verankert ist, kann man sich nicht einfach hinstellen und sagen: Das ist ja sowiso nur eine Farce! Und wer sagt eigentlich, daß die UVP in jedem Fall zugunsten der Außenweservertiefung ausfällt?

In der Vergangenheit haben zum Beispiel auch bundesdeutsche Gerichte aufgrund der Einwendungen betroffener Bürger Großprojekte verhindert oder zumindest ausgebremst, obwohl ihnen das niemand zugetraut hat. Auch in der zweiten Frage, die bei einem Teil des grünen Umfeldes die Gemüter erregt, sehe ich wenig Anlaß, sich für die bisher öffentlich bekanntgewordenen Verhandlungsergebnisse schämen zu müssen.

Das Kippenberggymnasium soll neben dem Alten Gymnasium bestehen bleiben und zwei weitere Gymnasien ab 1993 ihre Pforten öffnen. Glaubt man dem Proteststurm aus dem Kreise der GEW-Veteranen, die die Gesamtschule mit der Muttermilch der 68er Generation eingesogen haben, bedeutet diese Entscheidung das Ende der demokratischen Schule überhaupt. Integration und Chancengleichheit für immer ade. Ganz Deutschland — außer Bremen — scheint demzufolge bisher eine undemokratische Schullandschaft gehabt zu haben. Zum Glück hat sich ein Teil der GRÜNEN längst von der Gesamtschule als idelogischem Programm verabschiedet. Innere Schulreform in allen Schulformen, auch in der Gesamtschule, ist der Nenner, auf den man sich bei einer weniger ideologischen Betrachtung verständigen kann. Leider hatte bisher keiner den Mut, in diesem Zusammenhang den längst fälligen Umbau der Gesamtschulmonstren GSW und GSO, die als Mammutprojekte der technokratischen Schulreformen in den 70er Jahren entstanden sind, zu fordern.

Ein Prinzip der GRÜNEN war immer, daß Demokratie nicht teilbar ist. Demokratie darf nicht nur in Stadtteilen gelten, in denen eine Gesamtschulorientierte Eltern- und Lehrerlobby für eine neue Gesamtschule mobiliesiert. Wenn sich in anderen Stadtteilen eine entsprechende Lobby für ein Gymnasium formiert, muß man das in einer pluralistischen Gesellschaft aushalten und tolerieren können. Wenn das alles war, was die FDP in den Koalitionsverhandlungen erstritten hat und was die GRÜNEN schlucken müssen, dann dürfen sich die grünen Verhandlungsmitglieder ohne Scham zum Verrat bekennen. Lothar Probst, Bremen

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