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Später Sieg des Dollars

■ Eine Bürgerinitiative kämpft für die Erhaltung des Mauermuseums an der Friedrichstraße/ American Business Center will hier einen Bürokomplex errichten

Berlin. »Money makes the world go round.« Was die amerikanischen Schützenpanzer, die im August 1961 vor die Schlagbäume des Checkpoint Charlie rollten, nicht schafften — die Schleifung der Mauer —, gelingt jetzt dem »American Business Center«. Die Ironie der Geschichte ist nur, daß sich am vergangenen Wochenende eine Bürgerinitative für die Erhaltung der letzten Relikte des Eisernen Vorhangs gebildet hat, und daß diese gar mit Mahnwachen und symbolischer Platzbesetzung 632 Quadratmeter einstigen Mauerareals gegen das amerikanische Geld verteidigen wollen.

»Schmerzlich überrascht, ja entsetzt« zeigte sich der russische Schriftsteller Lew Kopolew bei einer Pressekonferenz am Sonnabend über die vom Berliner Senat geplante Schließung des Freilichtmuseums »Topographie der deutsch-deutschen Grenze« zum 1. Juli 1992. (siehe taz vom 7.12.) Denn hier, unter der Schirmherrschaft der Arbeitsgemeinschaft 13. Augst zeige das Museum am Checkpoint Charlie »die schicksalsträchtigsten Jahre der deutschen Geschichte«. So unter anderem das letzte verbliebene Kontrollhaus der DDR-Grenzwachen, das Haus am dem im Januar 1974 der Flüchtling Burkhard Niering erschossen wurde. Gen Westen begrenzt wird das Grundstück von 24 Meter orginalgetreuer Mauer, genau dem Stück, auf dem der Amerikaner John Runnings mit seinem Hammer einschlug und der US-Sergeant Pool einem von Maschinenpistolen bedrohten Flüchtling ein Seil zuwarf und ihn in den Westen zog. »Es wäre ein Sakrileg«, schrieb Kopolew an Bürgermeister Diepgen, wenn durch die Errichtung eines Bürohauses »eine Kommerzialisierung des historisch so bedeutsamen Ortes gelingen würde.«

Rainer Hildebrandt, Leiter des Museums, warf dem Investor des American Business Center, der amerikanischen Firma Center for European Development (CEDC), vor, sie habe sich die Kaufoption »erschlichen«. Der CEDC-Geschäftsführer, Mark Palmer habe ihm zugesichert, das Gedenkstättenareal nicht in die geplante Bebauung an der Friedrichstraße einzubeziehen. Hildebrandt habe diesem Versprechen geglaubt und habe deshalb die Öffentlichkeit nicht über »unsere berechtigten Interessen« am Erhalt des Geländes informiert. Mark Palmer hingegen, spricht von einem »bedauerlichen Mißverständnis«. Seitens der Investoren »wurde zu keiner Zeit irgendeine Zusicherung gegeben, daß wir an diesem Gelände kein Interesse haben«, schrieb er Mitte Oktober an Hildebrandt. Der für die Grundstücksvergabe zuständige »Koordinierungsausschuß für innerstädtische Investitionen« (KOAI) habe in seiner Sitzung am 16. Mai 1991 beschlossen, alle Grundstücke entlang der Friedrichstraße zwischen Zimmer-, Krausen-, Charlotten-, und Mauerstraße für die Errichtung des American Business Center freizugeben. Die Erinnerung an diesen »geschichtsträchtigen Ort« solle durch ein »Monument« und der Errichtung einer deutsch-amerikanischen Kunstgalerie wachgehalten werden. An der Planung könne sich Hildebrandt beteiligen, schrieb Palmer.

Ein Ansinnen, daß Hildebrandt vorerst ausschlug. Sein Verein plane jetzt, »alle diejenigen Menschen, die am Erhalt dieser Gedenkstätte interessiert sind«, mit Hilfe verschiedener Aktionen von der Notwendigkeit zu überzeugen, das Museum am Checkpoint Charlie zu erhalten. Unterstützt wird die Initiative »Rettet den historischen Boden« vom »Verein für die Geschichte Berlins«, der »Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte«, der »Vereinigung der Opfer des Stalinismus« und der ASTAK, dem Forschungszentrum im Stasigebäude in der Normannenstraße. Die erste, die den Erhalt des Mauermuseums unterschrieb, war am Sonnabend Karin Gueffroy, die Mutter des letzten an der Berliner Grenze erschossenen DDR-Bürgers. Anita Kugler

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