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Deutsches Top-Management in der Krise

In Gertrud Höhlers neuem Essay „Spielregeln für Sieger“ geben Führungskräften ein erbärmliches Bild ab  ■ Von Hermannus Pfeiffer

Mit seiner quasi letzten Amtshandlung sorgte der ausscheidende Vorstandssprecher Friedrich Wilhelm Christians vor vier Jahren für eine frische Brise in der Zentrale der Deutschen Bank. Er bat die Literaturprofessorin Gertrud Höhler um Hilfestellung bei der Imagepflege. Die Kommunikation der Großbank im Innen- und Außenverhältnis sollte verbessert werden. In Erfüllung ihres Auftrages sauste die „scharfsinnige“ Autorin ('Faz‘) rastlos durch unzählige Chefetagen von Banken und Industrie und zog daraus in ihrem ersten reinen Wirtschaftsbuch den überraschenden Schluß: Das deutsche Top-Management bietet ein erbarmungsloses Bild.

Beschäftigt mit „der Absicherung der eigenen Position“, schrieb Gertrud Höhler nieder, würden zu viele Manager sich mit „Pferdedressur und dem Einstudieren von Kunststücken für die Zirkusmanege“ beschäftigen. Weisungen und Direktiven statt dezentraler Kommunikation, Produktfixierung statt Unternehmensvisionen, Exekution geprägter Arbeitsabläufe statt kreativer Kooperation bestimmten folglich immer noch den Tagesablauf in Werkhallen und Büros.

Genervt von den Traditionalisten in deutschen Unternehmensleitungen und den Führungskarrieren, die nichts anderes als „deutliche Spuren eines gigantischen Kompensationsversuchs zur Beschwichtigung der Selbstzweifel“ seien, „die aus den Verletzungen des kindlichen Selbstgefühls herrühren“, sieht Gertrud Höhler zwei Gefahren auf den Kapitalismus zukommen. Neben der komplexen Dynamik der Weltmärkte droht ihm die innere Auszehrung. Der Wertewandel, und wer mag noch der Weberschen protestantischen Ethik folgen, brachte Gruppen wie die Yiffies hervor. „They are young, individualistic, freedom- minded and few“, wurden selbstverständlich zuerst in den USA gesichtet und wollen ihr Leben nicht ausschließlich der Karriere widmen. Um die Yiffies bei der Fahne zu halten, glaubt Gertrud Höhler, bedarf es einer visionären Unternehmenskultur und daher „Führungen“, welche die Spielregeln für Sieger — so der Titel des auf Buchlänge gequälten Essays — beherzigen und praktizieren. Mit „Visionen“ über die Konzernzukunft soll die Belegschaft „begeistert“ werden. Dabei bleibt der einfache und mittlere „Dienst“ was er war: Exekutor der mit Visionen geschmückten Weisungen.

Gertrud Höhler, deren Rat von dem traditionalistischen Nachfolger des ermordeten Deutsche-Bank-Visionärs Herrhausen nicht mehr gefragt war, gewährt mittelbare Einblicke in westdeutsche Führungszirkel, ohne sich an Einzelschicksalen aufzuhalten. Wer dem durch Wortgewandtheit erstickten Stil der Pastorentochter entgehen will, mag sich mit den rotgedruckten Merksätzen des „Schnell-Lesedurchgangs“ begnügen.

„Während die Japaner und Chinesen im fernen Borneo ihren Kampfgeist schulen“, setzt Gertrud Höhler den hiesigen bläßlichen Büromenschen die Leitfigur des „durchtrainierten Dschungelkämpfers“ entgegen. Sie empfiehlt den Wirtschaftsführern, „mit der starken Löwin zu jagen“, welche bei besonders schneller Beute das Jagdrudel anführe. „Das Löwenrudel sichert sein Überleben durch relativ einfache Prinzipien. Die Nahrung wird gemeinsam beschafft (für Unternehmen: Marktnähe für alle Abteilungen), der Nachwuchs wird erstklassig für die Aufgaben im Rudel trainiert (Rekrutierung und Personalentwicklung als strategisches Potential), Sicherung des eigenen Jagd- und Lebensreviers gegen Eindringlinge (Pflege einer starken Kultur und Identity; Vorsprünge vor dem Wettbewerber durch Marktkommunikation).“ Wer mag da noch an die Antilopen, Zebras und anderen Beutetiere des Löwenrudels denken?

Gertrud Höhler, Spielregeln für Sieger , Econ Verlag, Düsseldorf, Wien, New York, Moskau 1991, 392 Seiten, 49,80 D-Mark.

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