: Rudern, auf dem trockenen
■ Inoffizielle deutsche Hallenrudermeisterschaft an der Bremer Uni
Sportler an
Ruder-
Maschine
Was spritzt, ist höchstens der Schweiß: Matthias Siejekowski an der Maschine Foto: Björn Hake
Es ist eine Atmosphäre wie in einem englischen Wettlokal. Das Publikum im Sportturm der Bremer Uni starrt gespannt auf einen kleinen Monitor und schreit sich die Lunge aus dem Hals. Auf der Mattscheibe bewegen sich acht
kleine stilisierte Ruderboote einer imaginären Ziellinie entgegen. Doch hier wird kein Videospiel gespielt, sondern Leistungssport betrieben. An acht Rudersimulatoren (Ergometern) mißt die deutsche Ruderelite schweißge
badet ihre Kräfte: Hallenrudern braucht keinen Tropfen Wasser.
Wenn Oliver Rau, Organisator und Moderator des All German Ergo Grand Prix, das Kommando „Ruderer fertig“ gibt, legen sich jeweils acht Athleten im Kampf jeder gegen jeden in die Riemen. Sie ziehen an einer Kette, um ein Windrad gegen den Luftwiderstand zu bewegen und rutschen auf einem kleinen Sitz auf einer Stahlstange vor und zurück. Ein kleiner Computer mißt dabei ihre Leistung und rechnet sie in zurückgelegte Meter um. Die Trockenruderer starren während des simulierten 2.500m-Einer-Rennens auf ihre Monitore und verfolgen den kleinen Farbklecks, der ihr Boot darstellen soll. Viele anstrengende „Ruderschläge“ bedeuten nur wenige Millimeter auf dem Bildschirm. Kein Wind weht, kein Ruder taucht ins Wasser, nur der Schweiß fließt, und die Mattscheibe flimmert.
Für die versammelten Ergomanen ist die Sache packend. „Dieser Ausbund an Kraft und Ausdauer ist einmalig“, erfreut sich Rau beim Zieleinlauf an den Ruderern der „Königsklasse“, und seine Stimme überschlägt sich, wie es sonst nur Herbert Zimmermann in Bern 1954 passiert ist. Das Publikum steht ihm in nichts nach: „Komm, Bauer zieh durch. Deine Beine sind dick genug!“ Doch als die Technik einmal streikt, ist der Spaß vorbei: Die Mattscheibe bleibt schwarz, die Sportler haben Pause.
Der Bremer Wettbewerb ist das größte Trockenruderereignis in Deutschland. Weltmeister und Rekordhalter waren am Trockenstart und qualifizierten sich erwartungsgemäß für die Ergo-WM in Boston. „Der Ergometer ist ein ideales Trainingsgerät für die Winterzeit“, erläutert der Vizeweltmeister im Rudereiner, Peter Uhrig, den Sinn des Gerätes. „Die Bewegung ist die gleiche wie im Boot. Und die simulierten 2.500 Meter sind fast noch anstrengender als die normale Strecke von zwei Kilometern. Man kann bis zum Umfallen rudern.“ Doch beim Trockenrudern fehlt nicht nur das Wasser, sondern es ist auch keinerlei Technik und Gefühl für das Boot nötig, um vorne dabei zu sein. „Hier ist nur Kraft gefragt“, meint Uhrig mit Blick auf den zwei Meter großen unangefochtenen Meister an der Maschine, Matthias Siejekowski. „Der hat soviel Masse, daß er sich im Boot gar nicht mehr bewegen könnte.“ Für Siejekowski hat die eintönige Quälerei am Ergometer vorallem einen Reiz:“Spaß macht das Gewinnen.“ oh
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