piwik no script img

Schwarze und weiße Siegesfeiern

Südafrika: Während der ANC gestern das dreißigjährige Bestehen seiner Guerilla-Armee feierte, begingen die Buren ihren „Tag des Gelübdes“, der an einen historischen Sieg über die Zulus erinnert  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Früher hätte jeder Polizist sie auf der Stelle erschossen — gestern marschierten sie triumphierend vor Tausenden von Anhängern bei Veranstaltungen in ganz Südafrika: Die Guerillakämpfer des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) feierten das dreißigjährige Bestehen ihrer Armee „Umkhonto we Sizwe“ („Speer der Nation“, genannt MK). Aber auch für die Buren war gestern Feiertag, der „Tag des Gelübdes“. Am 16. Dezember gedenken die Buren der „Schlacht am Blutfluß“, in der eine Handvoll Buren 1838 eine Übermacht von Tausenden von Zulus besiegte. Das ist für die Buren der Beweis, daß sie Gottes auserwähltes Volk sind.

„Sabotage war unserer Meinung nach das einzige Mittel, um unseren Kampf gegen das Prinzip der weißen Vorherrschaft siegreich zu bestehen,“ sagte ANC-Präsident Nelson Mandela 1964 in seiner Verteidigungsrede, nachdem er als einer der Mitbegründer von MK der Sabotage angeklagt worden war. „Alle legalen Möglichkeiten, Opposition gegen dieses Prinzip zum Ausdruck zu bringen, waren durch die Gesetzgebung versperrt worden. Man drängte uns dadurch in eine Position, in der wir entweder die Minderwertigkeit als Dauerzustand zu akzeptieren hatten oder der Regierung die Stirn bieten mußten. Wir wählten den Kampf gegen die Regierung.“

Am 15. und 16. Dezember 1961 zündeten MK-Mitglieder die ersten Bomben. Seitdem hat es Hunderte von Angriffen und Hunderte von Toten gegeben. Der bewaffnete Kampf des Afrikanischen Nationalkongresses hat die Existenz der Apartheid- Regierung nie bedroht. Aber er kostete sie viel Geld. Alle strategischen Einrichtungen, von Militärlagern bis zu Öldepots und Strommasten, mußten bewacht werden. Und für den ANC, der seinen Kampf in den letzten Jahren als „bewaffnete Propaganda“ beschrieb, waren die Angriffe eine konkrete Demonstration an die schwarze Bevölkerung, daß der Kampf gegen die Apartheid andauerte.

Inzwischen ist der bewaffnete Kampf suspendiert, während Verhandlungen mit der Regierung über eine neue Verfassung für Südafrika stattfinden. „Wir werden uns nicht entwaffnen oder auflösen, bevor unser Ziel eines nichtrassistischen, nichtsexistischen, demokratischen und einheitlichen Südafrikas erzielt ist“, betonte jedoch die MK-Führung letzte Woche. Statt dessen plant der ANC, aus seinen Guerillas reguläre Soldaten zu machen, die Mitglieder einer zukünftigen südafrikanischen Armee werden können. Eine Reihe von MK-Mitgliedern soll demnächst in Indien ausgebildet werden. Tansania und Uganda bilden schon seit längerer Zeit ANC- Soldaten aus.

In einer Zeit, in der ehemals verhaßte Guerillas ernsthaft über die Kontrolle einer zukünftigen Armee nachdenken können und die weiße Regierung mit der schwarzen Opposition über eine neue Verfassung verhandelt, scheinen andererseits die burischen Feiern zum 16.Dezember zunehmend anachronistisch. Nicht etwa ihr „Gelübde“ an Gott, den Tag im Fall eines Sieges wie einen Sonntag zu feiern, bescherte den Buren den Sieg. Ausschlaggebend war vielmehr die technologische Überlegenheit der knapp fünfhundert Buren.

Mit Gewehren und Kanonen gegen Speere besiegten sie die Zulu- Übermacht. Dreitausend Zulus wurden getötet, Hunderte von Flüchtenden systematisch niedergemetzelt. Dennoch wird der Tag gefeiert als Sieg des „Lichtes der Zivilisation“ über das „dunkle Afrika“. Und die Buren betrachten seitdem Südafrika als ihr Gelobtes Land.

Zwar nimmt die Bedeutung dieser Tradition unter jüngeren Buren inzwischen ab. Aber unter weißen Rechtsextremisten ist der Glaube an die gottgegebene Bestimmung des weißen Volkes ungebrochen. Und sie sind nach wie vor entschlossen, für ihre Überzeugungen zu kämpfen. So könnte es in einem zukünftigen Südafrika einen Rollentausch geben. Da könnten ultrarechte weiße Guerillagruppen kämpfen gegen eine reguläre Armee, die von ehemaligen Guerillas des ANC geführt wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen