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Der Abgang eines Machos

Ende einer Ära: Schimanskis letzter Fall, So., 29.12., ARD, 20.15Uhr  ■ Von Sabine Jaspers

Was fällt einem als erstes ein, wenn man an Schimanski denkt? Also, die Jacke. Auf jeden Fall die graue Windjacke. Was Columbo der Trench, ist unserem Duisburger Hauptkommissar das Kleidungsstück, zu dem er ein libidinöses Verhältnis zu pflegen scheint. Und wenn der Jacken- und Schnauzbartträger dann auch noch, in Cowboystiefeln und knackigen (Pioneer-)Jeans steckend, durch's Revier streift, um sich durchzuschlagen, Dosenbier, Pommes oder Kraftausdruck wahlweise an den Lippen, über Blumenrabatten hechtend, wenn er nicht gerade zwei rohe Eier zum Frühstück in sich hineinkippt oder Blondinen auf's Kreuz legt... oh, Mann! Und das soll jetzt ein Ende nehmen? Ja, liebes Fernsehpublikum, verehrte 20 Millionen, denen alle aseptischen Brinkmanns und preußisch-korrekten Derricks dieser Fernsehwelt schnuppe sind, die aber immer dann am Tatort sein wollen, wenn Schimanski mit mehr Herz als Verstand in seinem Milljöh auf die Pirsch geht. Es ist wahr. Das war's. Schimmi löst seinen letzten Fall, denn Götz George hat „die Schnauze voll“.

Vor zehn Jahren wurde aus Götz George, bis dato schauspielernder Sohn des berühmten Heinrich George, Horst Schimanski. Als sich Schimmi in seinem ersten Einsatz Duisburg-Ruhrort von den Fesseln des deutschen Beamtentums befreite, rettete er gemeinsam mit seinem Regisseur Hajo Gies und einem jungen Autorenteam der Bavaria den Tatort aus der Krise der Siebziger. Zu lange hatten vernunftbegabte Saubermänner in der immergleichen Vortortvilla für das Fernsehvolk ermittelt und waren angesichts der Erkenntnis von der übermächtigen Komplexität der Gesellschaft zu einem Anachronismus erstarrt. Längst war selbst eine Folge der Seniorenmagazine Mosaik und Schaukelstuhl spannender geworden, als es das Aushängeschild des ARD-Krimis, die Tatort-Reihe, zu sein vermochte.

Doch dann kam unser Held, der Schmuddel-Kommissar mit seinem Konterpart Thanner (Eberhard Feik) im Schlepptau und verlieh dem Fernsehkrimi das Gesicht der achtziger Jahre. Die Erfahrungen einer ganzen Generation belebten die Figur: „Die Autoren, das waren Spontis und Chaoten von sich aus. Nach '68 , nach Brokdorf, waren die skeptisch, daß Polizisten immer superschlaue Durchblicker sind“, erinnerte sich George im 'Spiegel‘. Deshalb wurde aus dem Kommissar kein Musterstaatsbürger, sondern einer, der IQ mit High Noon verwechselte, der draufhauen durfte und unrecht haben, „solange er es irgendwann einsah und er sich dafür entschuldigte“ (George). Trieb er es zu toll, trat Thanner als Vertreter der Rechtsstaatlichkeit in Aktion, um ihn mit einem „Mensch, Horst“ zur bürgerlichen Ordnung zu rufen.

Der neue Tatort beschränkte sich nicht auf die Eifersuchtsdramen in Industriellenkreisen, sondern packte auch mal ein heißes Eisen aus der Welt des Kohlenpotts an. Schimanski brach mit den gesellschaftlichen Spielregeln, um uns als einsamer Kämpfer die Unabhängigkeit vorzugaukeln. Denn immer bleibt der rauhbeinige Rüpel Garant unseres gesellschaftlichen Systems. Schimanski beweist — so die Tatort-Ideologie —, daß sich Lücken in den Dienstvorschriften finden lassen, daß Gerechtigkeit hierzulande möglich ist. Wenn Schimmi mal über die Stränge schlägt, ist er laut Drehbuch stets vom Dienst suspendiert. Doch trotz dieses Kunstgriffs: schon nach der ersten Folge gab's nicht nur ein Raunen im Publikum, sondern auch Ärger. Die „echten“ Kommissare meldeten sich zu Wort und sprachen von Rufschädigung. Einer forderte sogar ein Disziplinarverfahren gegen Schimanski. „Geschmacklos, ekelerregend, undenkbar“, waren die Worte, die Bremens Polizeipräsident Ernst Dickmann über den Tatort-Helden für 'Bild‘ einfielen. 32 mal, zählte man in demgleichen Blatt, habe Schimanski in einer Folge „Scheiße“ gesagt. Dabei waren es 17 mal, und daß sich die Handlung um Umweltverschmutzung drehte, verschwieg man.

Daß Schimanski nur eine erfundene Figur war, fiel für weite Teile des Publikums bald unter den Tisch. Immer öfter wurde George auf der Straße angesprochen: „Hallo, sind Sie nicht Herr Schimanski?“ Antwortete er daraufhin: „Mein Name ist George, Götz George!“, stürzte das sein Gegenüber häufig in Verwirrung. „Aber wenn Sie nicht Schimanski sind, dann sehen Sie ihm zum Verwechseln ähnlich.“

Jetzt reicht's George, der als Schauspieler anerkannt sein will. Zumal der Tatort Ermüdungserscheinungen zeigt, die Drehbücher immer schlechter würden. Zu oft hat man versucht, sich auch in anderen Tatorten an das Erfolgskonzept aus dem Hause WDR zu hängen. Der Tatort ist zur Personality-Show der Hauptkommissare verarmt. Die Trendwende der Neunziger ist fällig: George hat seine Windjacke gegen einen Armani-Anzug getauscht. In einer neuen Serie mimt er einen Unternehmensberater. Als Morlock ist er Consulting-Manager mit Kontakten zu den Mächtigen und kämpft gegen Umweltskandale. Was „Schimanskis letzten Fall“ betrifft, sei hier nur soviel verraten: Das Markenzeichen des „Machos mit Herz“ muß bei einem Zweikampf auf einem Campingplatz dran glauben.

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