: St.-Jürgen-Klinikchef ließ Gallas Tropenholz-Erbe übertünchen
■ Klinikchef Spindler ließ Gallas Mahagoni-Furnier überstreichen / Personalrat spottet: „Keine echte Regenwaldsanierung“
Wer Karl Spindler, den Verwaltungsdirektor des größten bremischen Klinikums an der St.-Jürgen-Straße, in seinem Dienstzimmer besucht, kommt unweigerlich an einer schmucken, aber unbenutzten Flur-Garderobe vorbei. Sie ist mit Mahagoni-Holz furniert, mit glänzenden Messinghaken verziert, von bodenlangen softblauen Vorhängen gesäumt: Ein raumgestalterisches Erbe, das Spindler seinem so barocken wie bestechlichen Vor-Vorgänger Aribert Galla verdankt. Ein Erbe, das ein Architekt im Klinikum mit dem Etikett „puffig-plüschig“ versehen hatte. Wohingegen Nach-Nachfolger Karl Spindler seine eigene Geschmacksrichtung als „nüchtern und sachlich“ abhebt. Kein Wunder also, daß ihm die von Galla übernommene Suite aus Vor- und Dienstzimmer sowie Konferenzsaal seit seinem Amtsantritt am 1. September l990 ein Dorn im Auge ist. Spindler gestern zur taz: „Ich mochte das dunkle Mahagoni- Zeug mit dem Gold nicht. Ich wollte eine helle Atmosphäre haben.“ Schließlich im Oktober 1991 rückten die Klinik-Handwerker bei ihm an und beseitigten das raumgestalterische Erbe des Aribert Galla. Wobei Galla selbst schon seinen Teil zur Entrümplung getan hatte, indem er bei seinem Abgang 1987 den größten Teil der Leder-Mahagoni-Einrichtung mit nach Hause geschleppt hatte. Dank der Klinik-Handwerker waltet nun seit Oktober sowohl in Spindlers Dienstzimmer als auch im Vorzimmer der Chefsekretärin
hier das foto
mit dem Mann am
Schreibtisch
St.-Jürgen-Chef Spindler vor seiner überwiegend weiß-funktionale Sachlichkeit. Die Handwerker erneuerten: Teppichböden, Gardinen, Beleuchtung. Die mahagoni-furnierte Schrankwand strichen sie innen und außen im sterilen Ärzte-Weiß an — eine Schleiflack-Schrankwand aus dem Möbelhaus war dem Klinik-Chef Spindler zu teuer erschienen — die hölzerne Deckentäfelung ließen die Handwerker unter Rigips verschwinden, um sie
weißen Wand Foto: Jörg Oberheide
dann ebenfalls zu weißen, ähnliches geschah der Gallaschen Textiltapete. Gesamtkosten der Renovierung in Dienst- und Vorzimmer, so Spindler: 28.919,21 Mark.
Gar nicht angetan von der Renovierungsaktion im Chefzimmer ist jedoch Personalrat Bernd Siebein. „Regenwaldsanierung“ überschrieb er seinen Artikel in der ÖTV-Zeitung „ZIK“ und eröffnete ein neues Kapitel im Dauerclinch des Personalrates mit der Klinik-Direktion. Hier ein Auszug: „Edelhölzer sind nun out und grau ist in. Dies ist natürlich keine echte Regenwaldsanierung, denn das Holz bleibt drin. Aber was man nicht sieht, macht die Ökos nicht mehr heiß. So einfach ist das. Man spricht in der St.-JÜrgen-Straße von Kosten zwischen 90.000 und 150.000 Mark.“ Was der Personalrat des weiteren moniert und und was sein Chef Spindler bestreitet ist die Behauptung, Spindler habe 40.000 Mark für das Renovieren der Räume beim Patiententransport verweigert. Vor allem jedoch vermißt die geneigte Leserin eine Information: Auf welche Art hätte Karl Spindler sich personalratsverträglich, ökologisch und kostenkünstig der Tropenholzfurniere entledigen können? Der Verwaltungsdirektor ist für Vorschläge durchaus offen: Harrt im Konferenzzimmer doch noch — von Gallaschem Ledergestühl umstellt — ein Konferenztisch, mahagonifurniert, seinem Ende entgegen. Und blickt im Flur eine vereinsamte Mahagoni-Garderobe die BesucherInnen melancholisch an. Sie hat schon bessere Zeiten gesehen. Barbara Debus
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen