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Wieder ein IM vom Prenzlauer Berg

■ Der Schriftsteller Rainer Schedlinski soll seinen Kollegen Lutz Rathenow jahrelang bespitzelt haben/ ARD-Magazin „Kontraste“ legt Verpflichtungserklärung des Autors vor/ Schedlinski bestreitet Vorwürfe

Berlin (taz) — „Ich war über meine Irrtümer nie so erfreut wie in den letzten Wochen“, schrieb im November '89 der DDR-Schriftsteller Rainer Schedlinski in der taz über den Umbruch im SED-Staat. Ob die Freude auch den gestrigen Abend überdauert hat, ist fraglich. Das ARD-Magazin Kontraste jedenfalls erhärtete in seiner gestrigen Sendung die seit Monaten umlaufenden Gerüchte über eine Stasi-Mitarbeit des Autors. Präsentiert wurden Spitzelberichte des IM „Gerhard“ über den Schriftsteller Lutz Rathenow sowie eine Erklärung Schedlinskis, mit der er sich zur Stasi-Mitarbeit verpflichtet. In den Akten der Gauck-Behörde findet sich auch der Klarname des IMB (inoffizieller Mitarbeiter mit „Feindberührung“) „Gerhard“: Rainer Schedlinski. Nach dem Schriftsteller Sascha Anderson scheint damit ein weiterer renommierter Autor aus der Prenzlauer- Berg-Szene als langjähriger Mitarbeiter der Staatssicherheit enttarnt.

Schedlinski selbst wollte sich gestern zu den Vorwürfen nicht äußern. Der journalistische Umgang mit Sascha Anderson habe ihm klar gemacht, daß es keinen Sinn habe, sich zu solchen Verdächtigungen zu äußern, da „einem das Wort im Munde umgedreht“ werde. Er habe nie eine Verpflichtungserklärung unterschrieben. Alle Vermutungen in dieser Richtung seien „Quatsch“.

Auf den Informanten „Gerhard“ war Lutz Rathenow bei der Akteneinsicht in der Gauck-Behörde gestoßen. Rathenow zufolge gehe die IM- Tätigkeit Schedlinskis nicht nur aus der Zuordnung des Decknamens zum Klarnamen in der Gauck-Kartei, sondern auch aus dem spezifischen Inhalt der Berichte zweifelsfrei hervor. So habe der Inoffizielle Mitarbeiter „Gerhard“ unter anderem über den Ablauf einer privaten Silvesterfeier 1988/1989 in seiner Wohnung berichtet. Im Anschluß an die Feier habe er, Rathenow, über den Autor Detlev Opitz Schriften „mit massiv DDR-feindlichen Artikeln“ übergeben, heißt es in dem Stasi-Bericht. In einem anderen Protokoll vom 15.4.86 berichtet „Gerhard“ über Rathenows Verdacht, man habe ihm mit dem Telefon zugleich eine Abhöranlage in seiner Wohnung installiert. Ebenfalls am 15.4. habe ihm Rathenow den Abdruck seiner „sechzehnten Eingabe“ in der 'Süddeutschen Zeitung‘ gezeigt. „Gerhard“ qualifiziert den Text als „mittelmäßigen Feuilleton- Journalismus, wie er in der westdeutschen Boulevard-Presse tagtäglich durchkommt“.

Nachdem der Verdacht gegen Schedlinski bereits während der letzten Frankfurter Buchmesse aufgekommen war, hatte der Autor eingeräumt, „unzählige Verhörprotokolle unterschrieben“ zu haben. Er habe jedoch „nie auch nur irgendwas über Dritte gesagt“. Den zahlreichen Anwerbeversuchen durch die Staatssicherheit habe er mit der Anspielung auf eine frühere psychiatrische Behandlung widerstanden: „Ich hatte es ja amtlich, daß ich paranoid bin — und deshalb sagte ich, daß ich nicht der Typ für eine Mitarbeit bin.“ In anderem Zusammenhang hat Schedlinski schon einmal über Paranoia reflektiert. In einem Text vom Juni '90 vermutet er ironisch, daß „man ja vieleicht auch die Paranoia der Staatssicherheit eines Tages noch als Berufskrankheit anerkennen“ werde.

Auch der Schriftsteller Sascha Anderson wird von Rathenow erneut schwer belastet. Anderson, so entnehme er seiner Akte, habe „über jede von mir übergebene West-Zeitschrift oder Broschüre Buch geführt“. eis

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