: Jetzt erst recht deportieren
Nach der Verurteilung durch den Weltsicherheitsrat schaltet die israelische Regierung auf stur/ Nahost-Verhandlungen gerettet: Arabische Delegationen sind zufrieden und wollen weiterverhandeln ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Die Reaktion der arabischen Regierungen und der PLO auf die Verurteilung des israelischen Deportationsbeschlusses durch den UN-Sicherheitsrat am Montag abend fiel erwartungsgemäß positiv aus. Gestern traten Jordanier und Palästinenser erneut zusammen, um eine gemeinsame Erklärung über die Fortsetzung der bilateralen Verhandlungen mit Israel in Washington vorzubereiten. An den Gesprächen war auch der PLO-Vorsitzende Yassir Arafat beteiligt. Anwar Chatib, ein Mitglied der jordanischen Delegation, ging gestern davon aus, daß seine Abordnung noch am gleichen Tage nach Washington reisen werde, um die Gespräche wiederaufzunehmen. Die palästinensische Delegation hingegen wartet noch auf grünes Licht von der PLO für die Abreise.
Die israelischen UN-Vertreter und die israelischen Unterhändler, die bereits seit vorgestern in den USA auf eine Wiederaufnahme der Nahostverhandlungen warten, reagierten enttäuscht auf die Entschließung des UN-Sicherheitsrates. Der israelische UN-Botschafter Joram Aridor bezeichnete die Resolution als „unausgewogen“ und erklärte: „Israel muß seine israelischen und arabischen Bewohner gegen Terrorismus beschützen.“ Jossi Ben Aharon, politischer Berater von Ministerpräsident Schamir und Leiter der israelischen Delegation, sagte bedauernd: „Die Entscheidung wird die Friedensverhandlungen negativ beeinflussen. Dies ist der Preis, den die Amerikaner dafür zahlen, daß die arabischen Delegationen wieder an den Verhandlungen teilnehmen — auf Kosten von Israel und der Opfer des arabischen Terrors.“
Besonders konsterniert ist man in Israel, weil die USA diesmal beim Zustandekommen der jüngsten UN- Entschließung die Initiative übernommen haben. Zur Beruhigung verweist man in Jerusalem auf die Vielzahl von UN-Resolutionen, die bereits gegen Israel verabschiedet wurden und von denen keine einzige Konsequenzen hatte. Man geht nicht nur davon aus, auch diesmal ohne Sanktionen davonzukommen, sondern es wird die Devise vertreten: Jetzt erst recht.
In der Regierung scheint man sich einig zu sein, den Beschluß, die zwölf Palästinenser zu deportieren, nicht aufzuheben. Lediglich Armee- Generalstabschef Ehud Barak denkt offenbar über einen „Kompromiß“ nach: Er schlug gestern vor, in Zukunft nur noch „auf Zeit“ abzuschieben. Das würde der Welt zeigen, daß es sich nicht um Deportationen im Sinne der Vierten Genfer Konvention, sondern um eine „reine Strafmaßnahme“ handelt. Die Bitte der Anwälte der von Deportation Bedrohten um Aufschub des Appelationsverfahrens vor mehreren Militärgerichten und um eine öffentliche Verhandlung der Fälle wurde von den israelischen Militärbehörden abgewiesen.
Die Deportationsprozeduren seien ohnehin zu langwierig, erklärte Ministerpräsident Schamir gestern vor dem Sicherheitsausschuß der Knesset. Er will „überprüfen, ob der Deportationsprozeß abgekürzt werden kann“. Kritik an der beschleunigten Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten, die eine Autonomieregelung mit den Palästinensern unmöglich mache, beantwortete er mit der Feststellung: „Es gibt keinen Widerspruch zwischen dem Autonomie-Projekt und der Besiedlung aller Teile Groß-Israels.“
Unterdessen hat das israelische Wohnungsbauministerium unter Minister Ariel Scharon gestern bekanntgegeben, daß weitere fünf jüdische Siedlungen mit 2600 Wohnungen beiderseits der „grünen Linie“, der Grenze zwischen Israel und den besetzten Gebieten, gebaut werden sollen. Es handelt sich dabei um die Realisierung des von Scharon selbst konzipierten „Star-Programms“, das Siedlungen in einer „Pufferzone“ zwischen den besetzten Gebieten und Israel vorsieht. Auf diese Weise soll ein „Zusammenwachsen“ der jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten mit dem israelischen Staatsgebiet erreicht werden.
Scharon sprach sich scharf gegen das „Autonomie-Projekt“ aus. Falls daran überhaupt gedacht werden solle, müßten alle „von Juden besiedelten Teile von Westbank und Gazastreifen an Israel angegliedert“, also annektiert, werden.
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