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Maulkorb für Ärztekammer

■ Verwaltungsgericht untersagt politische Stellungnahme zum Frieden

Berlin. Der Beauftragte der Berliner Ärztekammer für ärztliche Friedensarbeit, der Ostberliner Bürgerrechtler Jens Reich, muß seine Tätigkeit einstellen. Das entschied das Verwaltungsgericht bereits am 27. September 1991. Wie aus der Urteilsbegründung, die erst jetzt bekannt wurde, hervorgeht, sieht das Gericht in dem Wirken des Beauftragten für ärztliche Friedensarbeit ein allgemein-politisches Mandat, das nicht durch die Regelungen des Berliner Kammergesetzes gedeckt sei. Der Beauftragte ist Mitglied in der IPPNW, des Vereins der »Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges«, der sich mit den medizinischen Folgen des Einsatzes von ABC-Waffen befaßt. Der Beauftragte berät darüber hinaus Ärzte bei der Erkennung spezifischer Krankheitsbilder, die aus der Fernwirkung von Kriegen resultieren.

Der Sprecher der Ärztekammer, Roland Bersdorf, sieht darin ein fachlich-ärztliches Mandat, das durchaus zu den Aufgaben der Ärztekammer gehöre. Die Standesorganisation hat denn auch gegen den Spruch des Verwaltungsgericht Beschwerde eingelegt.

In dem gleichen Urteil hat das Verwaltungsgericht eine Stellungnahme der Ärztekammer zum Golfkrieg für rechtswidrig erklärt. Darin hatte sich die Kammer für eine friedliche Lösung des Konfliktes ausgesprochen, da »auch ein Bruch des Völkerrechtes nicht die Inkaufnahme von Hunderttausenden von Toten und Verletzten sowie die Verseuchung unserer Umwelt, die Lebensgrundlage zukünftiger Generationen, rechtfertige«. Bersdorf sieht diese Aussage durch das Recht der Ärztekammer zu gesundheitspolitischen Stellungnahmen gedeckt. Das Verwaltungsgericht ist hingegen der Auffassung, daß es sich um »eine allgemeinpolitische Äußerung ohne verbandpolitischen Bezug« handele. Diese habe die Ärztekammer zu unterlassen, solange der Kläger Mitglied in der Standesorganisation ist. Gegen die Stellungnahme zum Golfkrieg und den Beauftragten für ärztliche Friedensarbeit hatte ein Mitgleid der konservativen Ärztevereinigung »Äskulap« geklagt. dr

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