: Kulturrat begrüßt K.-H. Vorsatz verschärft
■ Über 100 BremerInnen gründeten zügig und entschlossen den Kulturrat / Resolutionen zum DVU-Sprecher und zur ABM-Misere
Seit Donnerstag abend gibt es den Bremer Kulturrat (KR) wirklich! Und netterweise wurden die JournalistInnen, die sich auf ein sechseinhalbstündiges, ermüdendes Satzungs-Hickhack eingestellt hatten, angenehm überrascht: zügig und effektiv wurde gegründet, delegiert, diskutiert, beschlossen. Über 100 waren gekommen, aus Kunsthalle und Jugendzentren, Kirchenchören, Galerien und Ausländer-Projekten.
Das Ganze funktioniert jetzt so: die 6 Bereiche („Sektionen“) Bildende Kunst, Musik, Film/Audiovision, Literatur, Theater, Soziokultur wählen sich Delegierte und haben je eine Stimme im Sprecherrat. Die früher mal vorgesehene Zwischenebene Delegiertenrat wurde kurzerhand abgeschafft. Ob es sich schließlich bei mehr oder weniger als 6 Sektionen einpendelt, wird man sehen.
„Das hier ist ein historischer Moment!“ rief Versammlungs- Leiter Klaus Bernbacher, KR- Gründungsmitglied und Landesmusikrat-Chef, und er hatte recht. Die Alteingesessenen und Etablierten in blau-grau saßen neben den ewig seiltanzenden Finanz-Gefährdeten in bunt. Aber das war nur der erste Blick.
Erster Debattenpunkt: die ABM-Misere. Rund 100 Stellen sind allein im Bereich Kultur- und Bildungsarbeit / Soziokultur betroffen, der übrigens ab sofort „Spartenübergreifende Kulturarbeit“ heißt. Das sind allein 8 bis 9 Mio. Mark. Endlos und gigantisch ist die Reihe der vom Aus bedrohten ABM-Kulturarbeitsplätze bei VHS und BBK, GaK, Lagerhaus, Schlachthof, Kunsthalle, Übersee-Museum. „Bremer Kulturpolitik hat sich über Jahre selbst nicht ernst genommen, sondern bloß Arbeitsmarktpolitik betrieben“, kritisierte Ingo Ahmels von DACAPO, „das war der Fehler!“ Applaus. Zwischenruf: „Ja, das war Opperismus!“ Wohlgemerkt: daß es vielleicht auch gut ist, wenn der ABM-Tropf für Kultur erst weg ist, das fanden sogar Betroffene. In seiner ersten Resolution fordert nun der KR, „für den Erhalt der bestehenden Initiativen und Institutionen im bestehenden Umfang zu sorgen“ und dafür sofort ein „Ausgleichsprogramm“ aufzulegen, bevor mit den Stellen alles uneinholbar wegbricht.
Zweiter Punkt: die bevorstehende Wahl des DVU-Manns Karl-Heinz Vorstz als Sprecher (nicht Vorsitzender) der Kultur- Deputation am 23.1. Seit Tagen und auch im KR regnet es dazu Proteste, die „Skandal“ rufen und „nicht bei Kultur“. Gule Iletmis vom DAB wollte Vorsatz „zu den Fischen in die Fischerei-Deputation“ stecken, ein junger Mann sah schon „von dem Nazi die Künstler observiert“, eine Frau fand, die DVU habe die Wahl ja „bloß erschlichen“. Am besten, man beschlösse, „daß wir alle nicht mit dem reden!“
„Das ist schlimmste Ausgrenzung, da mache ich nicht mit“, stellte Brigitte Schulte-Hofkrüger von DaCaPo klar, und Jürgen Schmitz vom Schlachthof fragte: „Hätten wir uns hier auch empört, wenn der DVU'ler bei Sport gelandet wäre? Oder wäre Justiz besser?“ Siegfried Salzmann plädierte: „Tausende haben den gewählt! Wir müssen mit dem reden, klarmachen, wo die schiefliegen, dagegenkämpfen!“ Der Vertreter der schwulen „Bremer Stadtschmusetanten“ kam schließlich mit einem ironischen Vorschlag, der nach einer kurzen Verblüffungspause fast einstimmig angenommen wurde: „Wir begrüßen die Nominierung von Herrn Vorsatz verschärft!“ (Vgl. Dokumentation links). Susanne Paas
Die Sektionen treffen sich: Bildende Kunst: 28.1., 19h GaK; Literatur: 13. oder 17.2., 20h Stadtb. Neustadt; Theater: 30.1. 15h Brauhauskeller; Soziok.: 30.1. 15h Angest.-Kammer; Musik: lädt schriftlich
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