England feiert vierzig Jahre Steuerklau

■ Als sie am 6. Februar 1952 die Nachfolge ihres verstorbenen Vaters antrat, zählte das britische Königreich weltweit noch 50 Kolonien. Heute ist das Empire arg geschrumpft, aber "ihre" Queen...

England feiert vierzig Jahre Steuerklau Als sie am 6. Februar 1952 die Nachfolge ihres verstorbenen Vaters antrat, zählte das britische Königreich weltweit noch 50 Kolonien. Heute ist das Empire arg geschrumpft, aber „ihre“ Queen lieben die Engländer immer noch. Und sie denkt nicht im Traum daran abzudanken.

VON RALF SOTSCHECK

Das britische Volk liebt seine Königin. Drei Viertel aller Untertanen glauben, daß Großbritannien die Monarchie brauche. Selbst unter den jungen Leuten bis 25 sind es noch 60 Prozent. Und wenn jetzt das Objekt dieser Liebe, Königin Elisabeth II., heute ihr 40. Thronjubiläum feiert, ist sie eins der dienstältesten Staatsoberhäupter der Welt. Als sie 1952 nach dem Tod ihres Vaters, Georgs VI., zur Königin von Großbritannien und Nordirland gekrönt wurde, sah die Welt freilich anders aus: Damals regierte sie über mehr als 50 Kolonien. Heute ist das Empire zerfallen, der Einfluß der einstigen Weltmacht geschrumpft. Doch noch erkennen viele Staaten — darunter Australien, Kanada, Neuseeland und Jamaika — die Queen als ihr Staatsoberhaupt an.

Das wird die 65jährige bis zu ihrem Tod wohl auch bleiben. An einen Rücktritt ist nicht zu denken. Seit ihr der Erzbischof von Canterbury zur Krönungsfeier den Kopf mit heiligem Öl einrieb, stehe sie geistig über dem Rest der Menschheit, behauptete sie einmal. Schon ihre absolutistischen Vorfahren glaubten, das Amt sei ihnen direkt von Gott in den Schoß gelegt. Eine ordinäre Pensionierung käme deshalb einer Entweihung der Königswürde gleich.

Die Regentin ist die einzige Person, die sämtliche Regierungspapiere der letzten 40 Jahre kennt. Im Land der ungeschriebenen Verfassung gilt nämlich ein ebenso ungeschriebenes Gesetz, wonach der Regierungschef die Papiere seines Vorgängers nur mit dessen Einwilligung lesen darf. Findet an der Spitze ein Parteienwechsel statt, wird diese Genehmigung natürlich verweigert. Das Herrschaftswissen ist dann also ausschließlich im Kopf Elisabeth II.

„Es ist nicht meine Aufgabe zu handeln, sondern zu sein“, sagte Elisabeth einmal. Die Monarchin ist gleichzeitig Kirchenoberhaupt, Kommandantin des Heeres und oberste Justizinstanz ihres Landes — allerdings nur in der Theorie. In der Praxis bleibt ihr lediglich ein „Vorbehaltsrecht“ von Bedeutung: Sie darf den Premierminister ernennen und das Parlament auflösen — oder auch nicht. Als Harold Wilson 1968 gegen den Willen seiner Labour- Fraktion die Macht der Gewerkschaften einschränken wollte und den Hinterbänklern mit Neuwahlen drohte, signalisierte Elisabeth, daß sie ihre Zustimmung zur Auflösung des Parlaments verweigern und statt dessen einen neuen Premierminister aus den Reihen der Labour Party ernennen würde. Darauf machte Wilson flugs einen Rückzieher. Es ist möglich, daß Elisabeth nach den kommenden Parlamentswahlen erneut von diesem Recht Gebrauch machen wird. Sollte nach der Wahl nämlich eine Pattsituation herrschen, kann sie einen der beiden Parteichefs mit der Bildung einer Regierung beauftragen. Vermutlich wird sie dabei jedoch kaum so rigoros vorgehen wie ihr Großvater Georg V., der 1930 die beiden Parteivorsitzenden Ramsay Macdonald und Stanley Baldwin in einen Raum ohne Toilette sperrte, bis sie sich auf eine Koalitionsregierung einigten, um die Wirtschaftskrise zu bekämpfen. Ist die Königin eine Rassistin? Kritiker werfen ihr vor, daß nur ein Prozent ihrer Bediensteten ethnischen Minderheiten angehöre. In Großbritannien sind jedoch fünf Prozent der Bevölkerung schwarz. Dazu kommt der Commonwealth, für den die Queen bei ihren Reden salbungsvolle Worte übrig hat. Allzu nah darf ihr der Commonwealth jedoch nicht kommen: Sämtliche 72 Angestellte in ihrer Umgebung sind weiß. Unter den 300 Teilzeitkräften gibt es einen Schwarzen. Genauso diskriminierend ist die Einstellungspraxis, wenn es um Frauen geht. Die wichtigsten Posten sind allesamt mit Männern besetzt. Eine Anzeige wegen Verletzung der Anti-Diskriminierungsgesetze hat Elisabeth allerdings nicht zu befürchten. Zum einen ist sie durch Zusatzklauseln von diesen Gesetzen ausgenommen, zum anderen genießt sie als „Quelle der Gerechtigkeit“ ohnehin Immunität — und zu Kritik nimmt sie prinzipiell keine Stellung.

Ebenso herrscht im Buckingham- Palast Funkstille, wenn mal wieder irgendein Politiker fordert, sie solle Steuern zahlen — wie alle anderen auch. Während ihre Untertanen für den Boykott der Kopfsteuer hohe Strafen zahlen oder ins Gefängnis wandern, schlüpft Elisabeth völlig legal durch die engen Maschen des Finanzamts. Die Steuerzahler müssen 57 Millionen Pfund (ca. 162 Millionen Mark) pro Jahr für die königliche Familie berappen. Dabei sind die Sicherheitskosten darin noch nicht einmal enthalten. Das Privileg der Steuerhinterziehung stammt aus Zeiten, als englische Monarchen noch alleine für die Finanzen des Königreichs zuständig waren. Doch schon Königin Viktoria gelangte 1842 — wenn auch widerstrebend — zu der Einsicht, daß auch sie steuerpflichtig sei. Georg V. rang der Regierung dann 1910 die königliche Steuerfreiheit wieder ab. Im Gegenzug übernahm er die Kosten für Besuche ausländischer Staatsoberhäupter.

Die werden heute freilich vom Außenministerium bezahlt, doch Elisabeth beruft sich nach wie vor darauf, daß sie als Regentin vom Fiskus nicht behelligt werden darf. Geht es jedoch um ihre angehäuften Reichtümer, ist sie plötzlich eine Privatperson, der man nicht in die Konten schauen darf. Niemand weiß, wieviel sie auf der hohen Kante hat. Schätzungen reichen von bescheidenen 50 Millionen Pfund (ca. 142,5 Millionen Mark) bis sieben Milliarden Pfund (knapp 20 Milliarden Mark). Ohne Zweifel ist sie eine der reichsten Personen der Welt.

Die Kosten für die „kleine Feier“ zum Jubiläum übernimmt jedoch die Stiftung „Royal Anniversary Trust“, die ihr im Herbst ein geradezu obszönes Geschenk überreichen will: einen fünf Kilogramm schweren Goldklumpen. Diesen „Commonwealth-Klumpen“ muß Elisabeth dann zu allen Anlässen mitschleppen, die im Zusammenhang mit dem Commonwealth stehen. Über den Wert des Präsents hüllt man sich in Schweigen. Allein die Versicherungskosten betragen 250.000 Pfund (ca. 720.000 Mark).

Trotz alledem sind sich die im Parlament vertretenen Parteien darin einig, daß die Monarchie unangetastet bleibt. Lediglich Tony Benn vom linken Labour-Flügel brachte im vergangenen Jahr eine Gesetzesvorlage ein, die Elisabeth zur normalen Bürgerin gemacht hätte. Die Monarchie sei ein schlau ausgedachter Deckmantel für eine Struktur, in der die Exekutivgewalt niemandem rechenschaftspflichtig ist, sagte Benn. Das widerspreche allen Prinzipien einer Demokratie. Benns Antrag war der erste Versuch seit Oliver Cromwell, die Monarchie per Parlamentsbeschluß abzuschaffen. Dieser war 1649 jedoch erfolgreicher: England wurde damals für elf Jahre Republik.