: Postsenatene Zeiten
■ Der Musiker Interessen Verein schreibt einen neuen Rock-Wettbewerb aus
Den Jugendclub in der Langhannsstraße in Pankow drohte nach der Wende dasselbe Schicksal zu ereilen wie so viele andere: den Sprung in die Marktwirtschaft nicht zu überstehen und dichtmachen zu müssen, weil die unterstützenden, staatlichen Gelder kaum noch oder gar nicht mehr fließen. Vor einem guten Jahr gründete sich dann der Musiker Interessen Verein e.V. (MIV) und übernahm das Haus. Inzwischen auf »H & M — House of Music« getauft, wurde aus der Langhannsstr. 23 eine der ersten Adressen, wenn man in Berlin harte und härtere Live-Musik sehen wollte.
Der MIV zahlt dem Bezirksamt eine feste Miete und kann dann Veranstaltungen im H & M durchführen. Fremdveranstaltungen wie die der Konzertagentur Lengauer laufen weiterhin über das Amt. Finanzieren muß sich der MIV selbst über die Beiträge seiner Mitglieder und die Konzerte und Diskotheken. Zuschüsse gab es bisher nur zweckgebunden vom Senat für einige bauliche Maßnahmen. — Der Verein steht jedem offen, ob er nun selbst Musiker ist oder nur musikinteressiert. Für 50 DM Jahresbeitrag pro Person können die Vereinsmitglieder die Veranstaltungen zum halben Preis besuchen, Beratungen über rechtliche und technische Angelegenheiten des Business in Anspruch nehmen und auch mal die Schreibmaschine oder den Kopierer benutzen. Workshops wurden veranstaltet und werden auch weiter ins Auge gefaßt.
Der MIV schreibt jetzt einen Rockwettbewerb aus. Die Fehler, die zum Kränkeln und voraussichtlichen Ende des offiziellen Berliner Senatrockwettbewerbes geführt haben, will man dabei tunlichst vermeiden. Eine Zulassungsbeschränkung wie bei Senatens, wo man noch keine Platte produziert haben durfte, soll es nicht geben, genausowenig Präferenzen für bestimmte Stilrichtungen. Wegen des oben beschriebenen Images des H & M werden ausdrücklich Bands und Projekte jeweder Couleur aufgerufen, teilzunehmen. Möglich soll alles sein, von Death Metal bis Dancefloor, mit einer Einschränkung: die Musik muß auf der Bühne präsentierbar sein. Bands, die bereits Mitglied im MIV sind, werden von der Teilnahme ausgeschlossen, um dem Vorwurf der Kungelei vorzubeugen.
Vor- und Endauswahl trifft eine Jury, ähnlich wie beim Senatsrockwettbewerb. Ob und wie das Publikum an der Entscheidung beteiligt werden soll, ist noch nicht klar. Auch die Zusammensetzung der Jury steht noch nicht fest. Definitiv zugesagt haben bisher nur der Musiker Rocko Stellmacher und ein Mitglied der SAE, einer privaten Berliner Tontechnikerschule.
Wie viele Bands vom 18. bis zum 20. April im H & M auftreten werden, soll nach der Anzahl und Güte der Einsendungen entschieden werden. Notfalls können auch noch Konzerte an zusätzlichen Terminen stattfinden. Von diesen Bands sollen dann zwölf bis fünfzehn ausgewählt werden, um bei einem dreitägigen Open Air Ende Mai als Lückenfüller zu spielen. In Neu-Fahrland, etwa dreißig Kilometer südwestlich von Berlin, werden nämlich Roger Chapman, Eric Burdon, Wolf Maahn, Pankow u.a. vor bis zu 50.000 Zuschauern auftreten. In den Umbaupausen haben die Gewinnerbands dann die Möglichkeit, auf einer Nebenbühne dem Publikum die Wartezeit auf den nächsten Star zu versüßen.
Bei diesen Auftritten wählt die Jury den Hauptgewinner aus, der dann — auch ganz ähnlich wie beim Senatsrock — für einige Tage ins Studio darf. Bis es soweit ist, begibt sich das Team vom MIV noch bei Sponsoren auf die Suche nach dem einen oder anderen zusätzlichen Preis. Thomas Winkler
An der Teilnahme interessierte Bands schicken eine Hörprobe, Kurz-Info und Foto an den Musiker Interessen Verein, Langhannsstr.23, O-1120 Berlin
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