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Linke Presse steckt in der Krise

In Schweden meldet der sozialdemokratische Pressekonzern Konkurs an  ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff

Der sozialdemokratische Medienkonzern „A-press“, zweitgrößter schwedischer Pressekonzern, hat Konkurs angemeldet. Der Konzern ist die Dachgesellschaft für fünfzehn sozialdemokratisch orientierte Tageszeitungen. Nach einer ersten Übersicht über die Schuldenlast wird von „mehreren hundert Millionen Kronen“ (eine Krone = 3.60D- Mark) ausgegangen.

Inwieweit die dem Konzern verbundenen Zeitungen durch den Konkurs direkt von der Einstellung bedroht sind, war zunächst unklar. Durch konzernrechtliche Umkonstruktionen waren noch im Dezember Tochtergesellschaften gebildet worden, unter deren Dach die verschiedenen Zeitungen erscheinen. Dieser Umbau im Konzern wird vermutlich verhindern, daß alle Blätter kurzfristig ihr Erscheinen einstellen müssen.

Akut vom Konkurs innerhalb der verschachtelten Konzernstruktur bedroht ist aber die auflagenstärkste und auch besonders verlustbringende 'Arbetet‘, die in einer Auflage von über hunderttausend Exemplaren in Malmö und Göteborg erscheint. Parteichef Ingvar Carlsson mochte am Montag nicht ausschließen, daß diese Zeitung sowie die Blätter 'Nya Norrland‘ und das 'Västerbottens Folkblad‘ ihr Erscheinen einstellen müssen, falls sich keine neuen Geldgeber finden würden. Die Partei könne die finanziellen Lasten nicht tragen.

Die Herausgabe von Zeitungen, jahrelang eine wahre Goldgrube, ist in Schweden seit etwa zwei Jahren kein gutes Geschäft mehr. Trotz kräftig erhöhter, teilweise fast verdoppelter Abonnementpreise, Einstellungsstops und teilweise auch Entlassungen in Redaktion und Technik, schreiben derzeit praktisch alle Zeitungen rote Zahlen.

Grund ist ein Einbruch am Anzeigenmarkt von zwischen fünfzehn und fünfunddreißig Prozent aufgrund der wirtschaftlichen Krise im Lande. Vor allem das einträgliche Geschäft der Stellenanzeigen ist weggefallen: Hier gibt es Einbrüche von bis zu siebzig Prozent gegenüber den früheren Jahren. Besonders betroffen von diesen schlechten Zeiten sind die jeweiligen örtlichen „Nummer zwei“-Zeitungen — und dies sind zum größten Teil gerade die sozialdemokratischen Blätter. Ein gigantischer Investitionsbedarf für „A-Press“ überfordert Sozialdemokraten und Gewerkschaften, die Finanzgeber von „A-press“.

Der Konkurs von „A-press“, vom Aufbau eines konkurrenzkräftigen Medienkonzerns war einmal die Rede, hängt der traurigen Geschichte sozialdemokratischer Mißwirtschaft im Medienbereich ein neues betrübliches Kapitel an. Von einem einst blühenden Pressereich waren bis Mitte der sechziger Jahre gerade noch etwa zwanzig Blätter übriggeblieben — meistens lokale „Nummer zwei“-Zeitungen. Diese wurden mit millionenschweren Staatssubventionen bis Ende der Achtziger über die Zeit gerettet. Mit Ausnahmen: der publizistische Stolz, die gut gemachte, aber unbequeme 'Stockholms Tidningen‘ wurde schon 1984 in den Konkurs geführt. In den beiden letzten Jahren wurden die größten Verlustbringer verkauft oder eingestellt.

„A-press“ versuchte ihr Glück weniger im Zeitungsmachen, als vielmehr in verlustbringenden Grundstücks- und Druckereigeschäften. Wegen anstehenden Wahlen stand die Arbeiterpartei aber bei Finanzproblemen in letzten Frühjahr für Bankbürgschaften gerade. Verschiedene Umbauten im Konzern, die angeblich einer Rekonstruktion dienen sollten, müssen im nachhinein als Versuche der Schadensbegrenzung für den jetzigen Konkursfall eingeschätzt werden.

Angesichts der Tatsache, daß die „A-press“-Führung in den letzten Jahren nicht nur voraussichtlich fünfhundert Millionen Kronen Schulden erwirtschaftet, sondern auch noch anderthalb Milliarden Kronen Staatssubventionen verwirtschaftet hat — zusammen etwa sechshundert Millionen DM —, verstärkten sich die Stimmen, die auch einen Rücktritt der für die Medien zuständigen sozialdemokratischen Vorstandsmitglieder forderten. Die verantwortlichen Vorstandsmitglieder in der Arbeiterpartei und die „A- press“-Bosse haben am Montag ihren Hut genommen.

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