piwik no script img

Um Gottes willen!

■ Für die Bonner Parteien steht die Abschaffung der Kirchensteuer nicht zur Debatte

Berlin (taz) — Die Kirchen in der Bundesrepublik müssen nicht um die staatliche Hilfe bei der Eintreibung der Kirchensteuer fürchten. Die Vorschläge der Bundestagsabgeordneten Erika Niehuis (SPD), Wolfgang Lüder (FDP) und Franz Romer (CDU), die Kirchensteuer abzuschaffen oder in eine Kultur- und Sozialsteuer umzuwandeln, werden von ihren Parteien nicht verfochten. „Um Gottes willen!“, entfährt es dem SPD-Kirchenreferenten Burkhard Reichert, „das ist konträr zur Parteilinie.“ Im Berliner Programm der SPD sei die Rechtsposition der Kirche ausdrücklich anerkannt und eine Einmischung in innerkirchliche Angelegenheiten abgelehnt worden. Die FDP gibt sich auf diesem Gebiet leidenschaftslos: „In den Parteigremien ist das Thema nicht erörtert worden“, teilt die stellvertretende FDP-Sprecherin Gabriele Molitor mit. Wolfgang Lüder habe lediglich seine persönliche Meinung kundgetan.

Die Fraktion Bündnis 90/Grüne hat sich noch keine Meinung gebildet. Konrad Weiß spricht sich persönlich jedoch für eine Kirchenabgabe aus. „Es sollte aber Sache der Kirche sein, sie einzuziehen.“ Die Kirche begebe sich in Abhängigkeit vom Staat, wenn sie ihm diese Aufgabe übertrage. In der DDR habe sich die Kirche die Kirchensteuer schließlich auch selbst eingetrieben.

Für die CDU erklärte ihr Vorsitzender, Bundeskanzler Kohl, die Abschaffung der Kirchensteuer sei „kein Thema“. Das bisherige System der Kirchensteuer müsse „selbstverständlich“ beibehalten werden, da die Kirchen große soziale Leistungen wahrnähmen.

Der Eifer der Parteien, die Kirchensteuer abzuschaffen, hält sich in Grenzen: Sie befürchten, daß dann der Staat für kirchliche Einrichtungen aufkommen müsse. Darauf verwies auch die Evangelische Kirche Deutschlands, denn die Kirche entlaste den Staat mit ihrem sozialen Engagement beträchtlich. Wäre die Kirche gezwungen, sich mangels finanzieller Mittel aus dem Bereich zurückzuziehen, müßte der Staat andere Steuern zur Bewältigung der auf ihn zukommmenden Verpflichtungen erheben, heißt es. Kein Wunder, daß man im Bundesfinanzministerium „keinen Anlaß für Änderungen“ sieht. Dem gebeutelten Bürger will man nicht noch eine neue Steuer zumuten. Auch „europamäßig ließe sich das nicht begründen“. Die EG-Kommission sei bisher nicht an die Bundesregierung herangetreten, um eine Harmonisierung der Kirchensteuer zu verlangen.

Der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Dr. Rudolf Hammerschmidt, sieht das Ganze gelassen: „Die Kirche in Deutschland wird weiterleben.“ In anderen Ländern wie Spanien, Portugal oder Frankreich komme die Kirche schließlich auch ohne Kirchensteuer über die Runden. „Man müßte abwarten, wieviel weniger Geld tatsächlich in die kirchlichen Kassen fließt, und dann gegebenenfalls sehen, wo man spart. Wenn man die Grundfunktionen der Kirche über Spenden finanzieren müßte, würde dies aber zu Lasten des sozialen Bereichs und der Unterstützung für die Dritte Welt gehen“, so Hammerschmidts Szenario. Doch die Abschaffung der Kirchensteuer stehe ja nicht zur Debatte. Außerdem müßte dafür das Grundgesetz geändert werden.

Sein augenzwinkernder Gegenvorschlag an die Bonner Abgeordneten: Sie könnten doch auf ihre Diäten verzichten und statt dessen in ihren Wahlkreisen sammeln gehen. Dann wäre auch der Kontakt zu den Wählern enger. win

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen