Naive Sätze

■ Betr.: Leserinbrief v. Christel Atlas-Klingenberg — Offener Brief an die Grünen“ — taz Bremen vom 8.2.92

Christel Atlas-Klingenberg äußert ihre Enttäuschung über die Politik der GRÜNEN in Bremen nach der BürgerInnenschaftswahl. Was ich nicht begreife, sind ihre Sätze: „Ihr — die Grünen — habt Euch auf eine Ebene der Machtpolitik begeben und dabei die Ziele für eine menschenwürdige alternative Politik verloren...“ Wasch‘ mir den Pelz, aber mach‘ mich nicht naß, ist eine sehr nette Umschreibung für den Inhalt dieser Sätze, die ich als naiv bezeichnen möchte. DIE GRÜNEN „sollen sich von machtpolitischen Gesichtspunkten freimachen“. Was das bedeuten würde? DIE GRÜNEN fänden als Partei, als Fraktion, als Regierungsteil nicht mehr statt. Der „alternative“ Teil Bremens, auf den Christel A.-K. abhebt, müßte sich wieder und ausschließlich selbst um die Durchsetzung seiner Forderungen kümmern — und zwar mit Macht! Wie gespalten das Verhältnis der GRÜNEN zur Macht allerdings ist, zeigt m. E. die Tatsache der Vergabe zweier Mandate auf Bezirksebene an SPD- Mitglieder, die zugleich Mitglieder einer Initiative sind. Auf Dauer läßt sich so etwas nicht durchhalten — für DIE GRÜNEN wie für die SPD-Mitglieder nicht. Der Mensch ist nicht unbedingt für die Schizophrenie geboren.

Richard Kelber, Mitglied des Rates der Stadt Dortmund