: Eine Fehlentscheidung auf Kufen
Der Schlechteste beim zweiten Spieltag des Playoff-Viertelfinals zwischen Eishockey-Neuling Krefeld und dem Favorit Rosenheim (4:6) war der gänzlich unfähige Schiedsrichter ■ Aus Krefeld Bernd Müllender
Dr.Jano Starsi, der tschechische Coach des Sportbund Rosenheim, ist in diesen Tagen ein leidgeprüfter Mann. Wenn man ihm nur ein Stichwort gibt, poltert der ansonsten so bedächtige, beherrschte Mann los und schimpft und klagt und jammert. Mit Recht: „Unfaßbar und unglaublich“ sei das, was er in den letzten Monaten in Rosenheim erlebt habe, diese Posse, dieses Hickhack, dieses Chaos, würdelos und von unabsehbaren Folgen für das deutsche Eishockey insgesamt.
Nach vier Jahren engagierter und allseits gelobter Trainerarbeit muß Fachmann Starsi mitansehen, wie sein Werk im Bermuda-Dreieck der Finanzinteressen zwischen Sponsor, Clubführung und politischer Ränke rettungslos untergeht. Die Uhr tickt unaufhaltsam. Der SBR, jahrzehntelange Talentschmiede des deutschen Eishockeys und letzter bayerischer Verein von Klasse, gibt bekanntlich mit Saisonende auf und steigt mittellos in die Oberliga Süd ab, weil das Wurstkonsortium März als Quasi- Eigner des Vereins die Zahlungen einstellt. Die Rückkehr in die Bundesliga wird erst 1995/96 angepeilt.
Da kann ein Trainer nur noch resignieren. Und muß gleichzeitig das Gegenteil bewirken. Die Spieler verhandeln als topdotierte Kellenunternehmer allesamt mit anderen Clubs und jedes Spiel kann das letzte oder zumindest vorletzte sein. Mit jedem Bully beginnt die Galgenfrist neu. Die zynischste Version wäre der Abstieg als Meister. Und gerade um die muß sich Starsi bemühen, wenn er die Spieler bei der Ehre packt, sie Tag auf Tag neu motiviert.
In Krefeld am Sonntag, im zweiten Playoff-Viertelfinale, gelang das, zumindest zeitweise und am Ende vom Ergebnis her. Mit 6:4 gewannen die Rosenheimer als spielerisch klar überlegene und etwas konzentriertere zweier bisweilen fahriger Mannschaften hochverdient und glichen damit die sensationelle 3:4-Heimschlappe im Sudden Death gegen den KEV vom Freitag aus. Die war vielen so erschienen, als wollten sich die Rosenheimer Cracks möglichst schnell aus der Bundesliga verabschieden. Und Starsi waren die Seinen erschienen, „als waren sie nicht in eigener Haut und immer nervös im kämpferischen Kontakt“.
So geht der Schrecken ohne Ende erst mal weiter. Und alle waren zufrieden: Rosenheim sportlich und der verblüffend mittelmäßige Liganeuling KEV finanziell. Denn das erfolgreiche Erringen dieser Niederlage garantiert den Krefeldern ein weiteres Heimspiel und das ist bei verdoppelten Playoff-Eintrittspreisen bis zu satten hundert Mark der „6.000 Einzelsponsoren“ (KEV- Jargon) eine Finanzspritze von gut einer Viertelmillion. Außerordentlicher Gewinn durch ordentlichen Matchverlust, weil die rettungslos KEV-Infizierten alles mitmachen.
Dabei war das Spiel von Unordentlichkeit vielerlei Art auf beiden Seiten geprägt. Die meisten Tore nahmen ihren Anfang hier wie dort in katastrophalen Abwehrfehlern. Was der ARD-Verrückte Herbert Watterott später in der Sportschau als Riesenmatch verkaufte, war eher eine Mogelpackung, voller individueller Schnitzer, vielen Kunstpausen und Unzulänglichkeiten. So niveaumäßig mäßig wie das deutsche Eishockey insgesamt, trotz blendendem Platz 6 in Meribel.
Und Karl Friesen, schon in den Savoyer Alpen ohne Form, wurde von Krefelds Stürmern mehrfach tief versunken im Gebet erwischt oder bei Hochrechnungen über sein Wunschsalär bei Hedos München und mußte reaktionslos debakulöse Gegentore hinnehmen. Sein Gegenüber Karel Lang, den sie in Krefeld wegen seiner Showeinlagen und einer in Deutschland konkurrenzlos brillanten Fangkunst (mit Abstand Bestnoten der Fachpresse) vergöttern, hatte zumindest das vorentscheidende 4:5 durch Venci Sebek auf dem Gewissen.
Einen besonders prägenden Einfluß hatte auch Schiedsrichter Peter Slapke aus Weißwasser, die personifizierte Fehlentscheidung auf Kufen. Unsicher und regellos statt regelfest, getarnt durch Autoritätsgehabe statt Souveränität, zerpfiff er das ohnehin hektische Spiel und fiel mit Penetranz auf jede noch so plumpe Schauspielkunst herein, als gäbe ihm die Stasi dazu noch die Order. Für Jano Starsi auch so ein typisches Phänomen im Bundesligasumpf: Keinen einzigen Referee von Niveau gebe es hierzulande, aber halt, Vorsicht, bei Schelte droht der allmächtige DEB mit Geldbuße. Nein, es habe auch mal ein Foul gegeben, „das hat auch der Slapke richtig gesehen“.
Spiel drei am heutigen Dienstag pfeift der Geretsrieder Semmelbäcker Pompeo Ondertoller. Der wird berufsbedingt hoffentlich etwas Fingerspitzengefühl haben.
Abstiegsrunde, 2. Spiel: Landshut-Kaufbeuren 6:5 (1. Spiel: 5:6), ES Weißwasser-Hedos München 4:1 (1. Spiel: 4:3).
Aufstiegsrunde zur 1. Bundesliga: Bayreuth- Kassel 5:1, EHC 80 Nürnberg-Hannover 4:1, Ratingen-Riessersee 10:1, Augsburger EV- Dynamo Berlin 3:6. TABELLE: 1. (2.) Ratingen 12:4, 2. (1.) Berlin 12:4, 3. (3.) Nürnberg 11:5, 4. (8.) Bayreuth 7:9, 5. (4.) Kassel 6:10, 6. (5.) Augsburg 6:10, 7. (6.) Hannover 5:11, 8. (7.) Riessersee 5:11
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