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„Mut zur befreiten Sexualität“ bei den Katholiken

■ Reformer des „Bensberger Kreises“ machen gegen die „Sexualdogmen“ ihrer katholischen Kirche mobil

Bonn (taz) — „Die Sexualität wird von der Kirche seit Jahrtausenden gezielt zur Herstellung eines schlechten Gewissens mißbraucht, weil Menschen mit schlechtem Gewissen einfacher zu regieren sind.“ Mit den diversen „Sexualdogmen“ der katholischen Kirche werde „die Meßlatte bewußt so hoch gelegt, daß Menschen sie kaum erfüllen können“. So der „Bensberger Kreis“, ein seit Mitte der 60er Jahre existierender Zusammenschluß kritischer KatholikInnen in einem gestern in Bonn veröffentlichten Memorandum „Kirche, Macht und Sexualität“.

Möglichst vielen Christen solle „Mut zur einer befreiten Sexualität gemacht werden“, erklärten die SprecherInnen des Kreises, darunter die Frauenbeauftragte im Bundesministerium für Frauen und Jugend, Marita Estor, bei der Vorstellung des Dokuments.

Ursprünglicher Anlaß für die Erarbeitung des Memorandums war die Stellungnahme des Vatikans vom Oktober 1986, in der Homosexualität als „unmoralisch“ verworfen und Homosexuellen und Lesben „sexuelle Enthaltsamkeit“ als einzig akzeptable Lebensform empfohlen wird. Der Bensberger Kreis rechnet damit, daß der Papst möglicherweise noch vor Ostern mit einer— ursprünglich bereits im letzten Jahr erwarteten — neuen Enzyklika die kirchenoffizielle Sexualmoral „weiter verschärfen und noch rigider fassen“ werde. Auch päpstliche Enzykliken seien „keine Dogmen“, erklärten die drei SprecherInnen. Entgegen allen Behauptungen der Amtskirche gebe es „kein Sexualdogma“, das sich auf die Bibel berufen könne. Die Behauptung, Sexualität außerhalb der Ehe beziehungsweise homosexuelle und lesbische Beziehungen seien von der Bibel verboten, sei „schlicht und einfach falsch“. Das Memorandum wendet sich auch gegen das Pflichtzölibat für katholische Priester. Die Zölibats-Verordnung diene „ganz besonders der Erzeugung schlechten Gewissens“.

Für den Bensberger Kreis ist Sexualität „allein Sache und Verantwortung zweier Menschen“, die sie „leben sollen, wie es ihnen Spaß macht“. Eine Grenze sei lediglich zu ziehen, „wo die freie Vereinbarung aufhört, und eineR der beiden ausgebeutet und vom Subjekt zum Objekt gemacht“ werde.

Das offene Ausleben derartiger Vorstellungen führt — zumindest für MitarbeiterInnen der katholischen Kirche — bis heute zur Kündigung. Aus diesem Grund hält der Bensberger Kreis die Mitglieder der Arbeitsgruppe, die das Memorandum erarbeitet hat — darunter ein homosexueller und eine lesbische Angestellte der Kirche — geheim. Andreas Zumach

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