: Potentia coniugens artis exercitatricis
Wie der Pontifex Maximus Ehrenmitglied der Fußball-Alternativliga von Aquae Grani wurde und es deshalb zu heftigem sportpolitischem Streit mit dem DFB und dem Domkapitel kam ■ Aus Aachen Bernd Müllender
Am Anfang war eine neue pfiffige Idee, beim Bier in der Kneipe. Nichts Ungewöhnliches: Da die Aktivisten der Bunten Liga Aachen gerne den anderen, ernsten DFB-Fußball parodieren und verhohnepipeln, lag auch der Vorschlag nah, mit dem FC Schalke 04 gleichzuziehen, der den Papst unter seinen Ehrenmitgliedern weiß. Indes wollten die Kicker die Sache stil- und würdevoll angehen und bald war mit dem Sprachwissenschaftler Klaus Mackowiak, einem Spieler von Juventus Senile, der richtige gefunden, der in bestem mittelalterlichem Kirchenlatein einen Brief nach Rom aufsetzte. „Eure Heiligkeit, werter Sportsfreund“ möge sich doch der „consocitatio versicolor“, zu deutsch: der Bunten Liga, als Ehrenmitglied anschließen. Die vielfarbige Liga sei, wurde dem Hl. Vater erläutert, eine Vereinigung, die sich „den arg unchristlichen Entwicklungen im Fußball zu entziehen trachtet“, und mit dem Segen aus dem Vatikan hoffe man nun, Unterstützung für „einen menschlicheren Sport“ mit weniger „Härte, Erbarmungslosigkeit und Gewinnstreben“ zu erlangen, und das gehe nur, wenn man wieder „gaudium ludi“, Spielfreude, finde.
Da die verbindende Macht des Sportes („potentia coniugens artis exercitatricis“), wie es immer wieder heiße, „mundum et sententias complectens“ (welt- und ideologieumspannend) sei, könne gerade die päpstliche Mitgliedschaft eine Geste sein, die „fines sententiarum inexplicabiles saepe censos transgredi conamur“, also für unüberwindlich gehaltene ideologische Gräben überschreiten kann. Höflich schloß der Brief mit „salute nomine Juventus Senilis nantiando“, der Grußerbietung im Namen der jungen Senilen unter den versicolorischen Kickern ex Aquis Grani aus Aachen.
Endlich: Papst betet für Bunte Liga
Und siehe: Die Antwort folgte, zur allgemeinen Verblüffung, prompt. Der päpstliche Assessor gab, ebenfalls in wohlfeiler lateinischer Sprache, kund, der Brief an den Summus Pontifex sei wohlbehalten bei jenem angekommen, der „Beatissimus Pater“ (glücklichste Vater) habe „den Beweggrund dieses Unterfangens gut zur Kenntnis genommen“, schließe die Bunte Liga nunmehr „gern in seine Gebete ein“ und schenke den Kickern den apostolischen Segen. Und: Der Papst heiße es gut, nunmehr Ehrenmitglied geworden zu sein. Letzteres sorgte nun für die erste Verwirrung. Formalrechtlich kann schließlich ein einzelner Kicker keine Ehrenmitgliedschaft in einem eingetragenen Verein aussprechen und Mackowiak hatte auch nur den Vorschlag gemacht, der Heilige Stuhl aber gleich die Mitgliedschaft als ein Faktum aufgefaßt. In seiner Analyse des Mißverständnisses machte Mackowiak dann „eine kleine Lateinschwäche des Herrn Assessors“ verantwortlich, der „das factum ire mit dem factum esse verwechselt“ habe, die zukünftige Möglichkeitsform also gleich in die Wirklichkeit transformiert habe. Fakt aber blieb, und das stand in der Lokalzeitung in großen Lettern auf Seite 1: „Aachen: Papst betet für Bunte Liga.“ Das war das Fanal für einen unvorhersehbaren Streit. Noch am gleichen Tag war die Kunde von der gesegneten Kickerkonkurrenz bei den Oberen des Deutschen Fußball-Bundes angekommen. Tief empört rief DFB-Schatzmeister Egidius Braun in der Aachener Zeitungs-Redaktion an, „spuckte Gift und Galle“, wie ein Redakteur empfand, und „ließ sich einfach nicht beruhigen“. Vor allem die „arg unchristlichen Entwicklungen im Fußball“, hatte der DFB, ohne explizit angesprochen zu sein, in seinem fußballerischen Alleinvertretungsanspruch glatt auf sich bezogen. Brauns Argumente: „Eine kolossale Anmaßung“ sei das, und „einwandfrei eine Diskriminierung von diesen Leuten aus der Bunten Liga, die sich wohl für was Besseres halten und mit ihrer unglaublichen Arroganz hunderttausende ehrenamtlicher Mitarbeiter zu Handlangern der Unchristlichkeit abqualifizieren.“ Die bestürmten Redakteure ließen Braun jedoch abblitzen, da man doch nur in seriöser Chronistenpflicht die Zitate anderer wiedergegeben hatte.
Braun ließ nicht locker und intervenierte bei einem vermeintlichen Gesinnungsgenossen, dem Aachener Bischof. Dort fragte er mißtrauisch nach, ob die Korrespondenz nicht eine Fälschung sein könne und ob man nicht umgehend bei der päpstlichen Nuntiatur in Bonn vorstellig werden sollte. Der Domprobst jedoch erklärte, daß der Papst, wenn gebeten, durchaus jeden, selbst linksalternative Balltreter, in seine Gebete einschließen könne. Zwar fand auch er den süffisanten wie großaufgemachten Zeitungsbericht für „die größte Geschmacklosigkeit in der letzten Zeit“, und beklagte sich seinerseits entsprechend bitterlich in der Redaktion. Aber so manche Fußball-Entwicklung in unserer Zeit wollte er auch nicht als besonders christlich empfinden. Brauns kirchliche Allianz war zerbrochen.
Da ließ er auch am päpstlichen Sekretär kein gutes Haar mehr, „der scheint mir auch nix besonderes zu sein“, wenn der zulasse, daß „der Papst so verarscht“ werde und „die ungeheuerliche Behauptung“ der Unchristlichkeit einfach nicht prüfe. Der Katholik Braun, der „jeden Sonntag um 11 in der Kirche die Orgel spielt“, weiß zudem zu berichten, ihn hätten einige Pfarrer angerufen und man habe sogar überlegt, „den Fall vor die Deutsche Bischofskonferenz zu bringen“.
Aber der DFB-Obere kämpfte lieber weltlich weiter und schickte einen Untertanen vor. Der Pressereferent des Verbandes Mittelrhein verfaßte eine Gegendarstellung — philologisch überraschend: Denn während Braun noch „über diesen lateinischen Briefeschreiber“ schimpfte, „der damit nur seine intellektuelle Bildung demonstrieren wollte“, wartete der Verbandssprecher nun seinerseits mit passablen Lateinkenntnissen auf („Vix crediderim — Ich kann es kaum glauben“) und geißelte die angebliche Unchristlichkeit des DFB als „kecke Verleumdung“. In der Sache zählte er die „vielfältigen Beweise der sozialen Kraft des Fußballsports“ auf, die die „durchaus christlichen Aktivitäten des organisierten Fußballs“ erhellen sollten: „Keine Macht den Drogen“, Fair- play-Aktionen, Sport mit Behinderten, Mexiko-Hilfe usw. Die Überzeugungskraft hielt sich jedoch in Grenzen, denkt man auch an den barmherzigen Hooliganismus im heutigen DFB-Fußball, an die selbstlose Totalvermarktung der Vereine, an den christlich-demütigen Menschenhandel der Bosse und den tiefverwurzelten Foulspielglauben der Balltreterschaft.
Allerdings gibt es auch in der Bunten Liga selbst einige bierernste Kritiker: Wie man denn ausgerechnet einem Reaktionär wie den Papst umwerben könne. Und es gibt in der Aachener Alternativszene Stimmen, die dem Papst mit gutem Grund empfehlen, statt für die Bunte Liga lieber für die heimische Alemannia zu beten. Nicht wegen der unaufhaltsamen sportlichen Talfahrt des Ex- Bundesligisten (unteres Mittelfeld Oberliga), sondern wegen ihres neuen Präsidenten, einem schwerreichen örtlichen Marmeladenmanager („Zentis“). Eine Reizfigur der ganz besonderen Art: Ein Mann vom alten Schlage, der zwar rein theoretisch „für Demokratie“ ist, aber nur „solange ich nicht selbst davon betroffen bin. Sonst entscheide ich diktatorisch.“ Der neue Fußballführer besticht durch vielerlei dreiste Sprüche (zum Zeitungs-Chefredakteur vor großer Kulisse: „Wenn Sie negatives über die Alemannia berichten, haue ich Ihnen eins in die Fresse“), deren bisheriger Höhepunkt der öffentliche Rat an die Alemannia-Fans war, nach einer Niederlage nicht Randale zu machen, sondern „ihre Wut lieber zu Hause bei ihrer Frau auszulassen“. Auch dies ein Beweis für die vielfältige soziale Kraft des Fußballsports, ganz im christlichen Sinne... Alemannia-Fan Egidius Braun verfolgt das auf dem Aachener „Tivoli“ bei jedem Heimspiel.
Weißer Rauch in Aachen: habemus papam
Am Samstag hat die Buntliga-Vollversammlung die Ehrenmitgliedschaft für den Papst mit großer Mehrheit abgesegnet. „Ich sehe“, freute sich Ligavorsitzender Dieter Becker nach dem Votum, „weißen Rauch aufsteigen: habemus papam.“ Tenor der Entscheidung: Randgruppenintegration und „Bewährungschance für einen ideologischen Gegner“. Wenn der Heilige Vater jedoch weiter derart weltfremde Schwulen-, Verhütungs- und Frauenpolitik betreibe wie bisher („womit leider wohl gerechnet werden muß“), könne die Bewährungschance schnell dahin sein und seine Tage im Schoße der Aachener Kickerschaft gezählt. Dann, hieß es, drohe unweigerlich ein Ausschlußverfahren. Und die Empörung wird wieder von vorn losgehen.
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