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Späte Genugtuung

■ Freisprüche für Besetzer der Mainzer Straße

Tötungsbereitschaft« und »Mordlust« hatte der frühere Regierende Bürgermeister Walter Momper den Besetzern der Mainzer Straße im November 1990 pauschal unterstellt und damit Berlins gewaltigste Räumungsschlacht und Kriminalisierungswelle gegen Menschen mit Lebensutopien jenseits der Kleinfamilie gerechtfertigt. Nicht weniger als 325 Menschen hatte die Polizei in den Friedrichshainer Häusern festgenommen und stundenlang in Sammelzellen eingesperrt. Heute, knapp anderthalb Jahre später, wurde noch kein einziger Besetzer wegen Hausfriedensbruchs verurteilt. Im Gegenteil: Die meisten Verfahren wurden eingestellt oder endeten mit Freispruch, einige Besetzer bekamen sogar eine Entschädigung. Das Scheitern der Kriminalisierung kann zwar späte Genugtuung sein, eine Wiedergutmachung für den Verlust der Wohnungen und des Zusammenlebens ist es nicht. Kein Freispruch ersetzt die Stereoanlagen, Bücher und Kleidungsstücke, die Polizisten aus den Fenstern warfen oder Bauarbeiter hinterher mitgehen ließen. Die Verfahren haben allerdings gezeigt, wer wirklich in der Mainzer Straße illegal gehandelt hat. Daß Festnahmezettel von den falschen Polizisten unterschrieben wurden, kann man noch als töricht abtun. Daß aber die Hausverwalterin von Polizeibeamten dazu genötigt wurde, den Strafantrag zu stellen, läßt sich selbst mit dem Hinweis auf Eilbedürftigkeit nicht rechtfertigen. Schon gar nicht, daß die Polizei zwei Stunden vor der Unterschrift mit der Räumung begann. Was die Justiz hier an Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit aufgedeckt hat, stellt nicht nur hundert Fragen an Momper und den früheren Innensenator Pätzold. Diese Akten bieten genügend Stoff für einen parlamentarischen Untersuchungsauschuß. Micha Schulze

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