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Taugt die Treuhand als Vorbild?

Privatisierungskongreß verdeutlichte die Unterschiede zwischen Ostdeutschland und Osteuropa  ■ Aus Berlin Donata Riedel

Für Tomasz Gruszecki ist die Treuhandanstalt ein Vorbild. Polens Privatisierungsminister will möglicherweise eine ähnliche Behörde in Warschau schaffen, die dann staatliche Unternehmen in Privateigentum überführen soll. Andere osteuropäische Wirtschaftsexperten äußerten sich jedoch auf einem Privatisierungskongreß, zu dem auf Einladung der Treuhandanstalt 300 hochrangige Vertreter aus 24 Ländern nach Berlin gereist waren, sehr skeptisch über den Nutzen der ostdeutschen Erfahrungen für ihre jeweiligen Heimatländer.

„Das Treuhandkonzept basiert auf dem Kapital aus Westdeutschland“, sagte ein Vertreter der polnischen Entwicklungsbank. Und das hätten die anderen Reformstaaten nicht zur Verfügung. Die Veranstaltung zeige daher, wie wenig relevant die deutsche Privatisierung für Osteuropa sei. „Sagen Sie uns doch bitte, wieviel Sie gezahlt haben, um Ihre Firmen verkaufen zu können“, forderte ein Russe von Treuhandvorstand Klaus-Peter Wild, der dann für 1991 ein Defizit von 25 Milliarden Mark, für 1992 von voraussichtlich 30 Milliarden nannte.

Durch die deutsche Wiedervereinigung ist die ehemalige DDR in einer völlig anderen Situation als ihre Handelspartner aus dem früheren RGW-Wirtschaftsblock. Über Nacht wurde die DDR-Wirtschaft am 1. Juli 1990 durch die Wirtschafts- und Währungsunion dem weltweiten Wettbewerb ausgesetzt, ihre Produkte — durch den Umtausch 1:1 — automatisch um das dreifache verteuert. Und: zur Versorgung der eigenen 16 Millionen EinwohnerInnen waren die vorhandenen Produktionsstätten schlicht nicht mehr nötig.

Im „restlichen Osteuropa“ (Wild) hingegen wird eine eigene Industrie zur Versorgung der Bevölkerung auch weiterhin gebraucht. Die Regierungen haben außerdem die Möglichkeit, an ihren Grenzen Schutzzölle zu erheben und Importgenehmigungen an Investitionen in ihrem Land zu knüpfen.

Im Verlauf der Diskussionen interessierten sich die Osteuropäer (die übrigens wie die Treuhandanstalt ausschließlich Männer in die Workshops schickte, weshalb Frauen im folgenden nicht vorkommen) vor allem für die praktische Seite der Privatisierung. Wie teilt man am geschicktesten Großkombinate in kleinere Einheiten auf? Was interessiert „den privaten Investor“ am meisten? Die Rendite oder eher die langfristige Sicherheit? Nach den Erfahrungen der Treuhand geht es den meisten ihrer Kunden darum, sich Märkte gegenüber der Konkurrenz langfristig zu sichern. Kurzfristig sei daher, so Wild, die Rentabilität nicht das entscheidende Kriterium — außer bei US-amerikanischen Investoren.

Besonders deutlich habe sich das bei der Privatisierung der ostdeutschen Stahlindustrie gezeigt. Lange hielt die Treuhandanstalt die Standorte mit den veralteten Fabriken für nicht privatisierbar — bis sich der Mailänder Stahlkonzern Riva für das Stahlwerk Henningsdorf interessierte, was wiederum die deutsche Konkurrenz aufweckte. Seither denken die Treuhandmanager international. „Wenn wir zwei gleichwertige Angebote eines westdeutschen und eines ausländischen Kaufinteressierten vorliegen haben, werden wir immer dem Ausländer den Vorzug geben“, sagte Treuhandvorstand Wild. Zudem müsse die Wirtschaft „in den fünf neuen Entwicklungs-, äh Bundesländern“ dringend internationaler werden, um sich psychologisch den Herausforderungen auf dem Weltmarkt stellen zu können.

Große Unternehmen, wie die Dresdner Papier AG, würden sich am besten über die Direktansprache der in Frage kommenden Westunternehmen verkaufen lassen. Bei mittelständischen Betrieben, beispielsweise der Möbelindustrie, sei die möglichst breite öffentliche Ausschreibung das erfolgversprechendste Mittel, geeignete Angebote zu bekommen, sagte Treuhandmanager Klaus Müller.

Die Privatisierung über die Börse würde sich hingegen nicht anbieten, weil die Unternehmen dabei erfolgreiche Bilanzen über drei Jahre vorlegen müßten. Die Zusammenarbeit mit Investmentbanken und internationalen Agenturen habe den Vorteil, internationale Erfahrungen nutzen zu können, aber den Nachteil, daß die Privatisierung unter dem Strich für die Treuhandanstalt teurer würde— weshalb dieser Weg für Osteuropa sich eher nicht empfiehlt. Und: ein Investor wolle immer mindestens 51 Prozent und damit das Sagen in seiner neuen Firma haben.

Neben dem ersten größeren Privatisierungskongreß, der gestern zu Ende ging, hat die Treuhand eine Treuhand-Osteuropa-Beratungsgesellschaft (TOB) gegründet. Das Engagement der deutschen Privatisierungsbehörde für Ostdeuropa ist allerdings nicht so uneigennützig wie es auf den ersten Blick scheinen mag: Ab 1994, wenn die Privatisierung abgeschlossen ist, brauchen die 3.600 Treuhand-Beschäftigten neue Jobs. Wild: „Vielleicht könnten unsere Leute dann ja bei Ihnen weiterarbeiten.“

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