MIELKE? LASST MAL KINDERMANN RAN! Von Pete di Scontent

Da saßen wir also wieder in Tübingens Marquardtei, warteten wie stets auf das schlecht eingeschenkte Hefeweizen im Halbeglas und berieten den Fall Mielke. Was klar war: Der Polizistenmord hatte sich eindeutig als Schlag ins Wasser erwiesen. Mit diesem wackeligen Konstrukt aus Indizien und zweifelhaften Zeugenaussagen kriegten wir den gerissenen Alten nie dran. Die Sache mit Schalck-Golodkowski? Nun, auch hier, so der eindeutige Tenor der Runde, würde es sehr, sehr schwer werden, dem Sabbelgreis in irgendeiner Weise an den Wartburg zu pinkeln.

Was also tun? Kriegen mußten wir ihn, das war klar. Nur wie? Gut daß in diesem Moment der Ratlosigkeit das Hefeweizen am Tisch eintrudelte, das heißt, eigentlich war es nur das Weizen, die Hefe war wohl mal wieder beim Einschenken verlorengegangen. Wie stets tadelten wir die streng dreinschauende Bedienung nicht, lobten sie im Gegenteil auf das eifriste für ihre Rasanz und Kompetenz, immer das grauenvolle Schicksal eines einstigen Klienten vor Augen, der es einmal gewagt hatte, das Getränk vollständig und prompt mit den Worten „Mach keine Zicken!“ einzufordern. Sie hatte keine Zicken gemacht!

Immerhin, mit dem ersten Schluck gurgelten wir unsere depressive Ratlosigkeit hinunter, es war klar, daß wo ein Weizen war, auch ein Weg sein mußte, und das Nies bekam plötzlich einen verklärten Blick und sagte mit Betonung jedes einzelnen Wortes: „Und wie wär's, wenn wir mal den Kindermann ranlassen würden?“ Kindermann ranlassen? „Was für ein Kindermann?“, fragte das sportlich eher uninteressierte Matzl, und das sportlich eher interessierte Nies klärte ihn auf. Kindermann, Hans Kindermann, Chefankläger des Deutschen Fußballbundes, der einst den Bundesliga-Skandal aufgedeckt hatte, der unerbittliche Kindermann, der sie alle drangekriegt hatte, den Obsthändler Horst- Gregorio Canellas, den Toto-Lotto- Annahmenbesitzer Reinhard Libuda, den Kneipier Oscar Siebert und die Meineidbande um Rolf „Cordoba-Rolfi“ Rüßmann und Klaus „Tor des Jahres“ Fischer. Keiner war dem grausamen Schwaben und seiner gerechten Strafe entgangen!

Das Matzl erinnerte sich jetzt plötzlich an Kindermann, aber auch daran, daß das Strafmaß damals zum Teil lächerlich gewesen sei und Rüßmann zum Beispiel später Nationalheld geworden sei und jetzt immer noch im Geschäft. Das Nies ließ sich nicht irritieren. Ja, aber als was, trumpft es auf, als Manager bei hahaha Mönchengladbach! Und Libudas Totoannahmestelle hatte Bankrott gemacht und Siebert nach Gran Canaria emigrieren müssen! Keiner entging seiner Strafe, wenn Kindermann seine Pflicht tat!

Und Mielke? Hatte der nicht jahrzehntelang Spiele manipuliert, Schiedsrichter unter Druck gesetzt und so zehnmal hintereinander mit „seinem“ FC Dynamo die deutsche Fußballmeisterschaft geholt? Und was war mit dem Republikflüchtling Lutz Eigendorf, der für Jägermeister spielte und eines unschönen Tages mit dem Auto auf einem Baum landete? Zufall? Mielke!

Doch jetzt gehörte der Ostfußball dem Westen! Und Mielke damit logischerweise dem strengen Juristen aus Stuttgart.

„Einer muß es schließlich tun.“ Mit dieser Maxime hat Hans Kindermann ein Leben lang gerichtet: Herr Kindermann, übernehmen Sie!