Neue Exportsignale aus Hannover

Das Konjunkturbarometer „Hannover Messe“ schwankt in diesem Jahr zwischen „gut“ und „schlecht“/ Weniger Besucher als erwartet/ Auslandsgeschäft auf dem Weg der Besserung  ■ Von Donata Riedel

Hannover/Berlin (taz) — Wie geht's der deutschen Industrie? Mit dem Anspruch, diese Frage anschließend mit „gut“ oder „schlecht“ beantworten zu können, pilgern Minister aller Bundesländer, Unternehmens- und Unternehmerverbands- Vertreter jedes Jahr im Frühjahr zur Hannover Messe Industrie, der „Olympiade der Technik“. Im letzten Jahr war die Antwort auf der weltgrößten industriellen Leistungsschau einfach und lautete „gut“. Heute, am Abschlußtag des diesjährigen Spektakels mit 6.520 Aussteller aus 54 Ländern, das in der Endauswertung wohl etwas weniger als die erwarteten 400.000 Besucher angezogen haben wird, ist die (Stimmungs-)Lage komplizierter. „Die Aussteller sind sehr zufrieden“, sagt Ulrich Koch, Pressereferent für die Veranstalterin Deutsche Messegesellschaft. Den Ausstellern sei es egal, ob 10.000 Menschen mehr oder weniger über das knapp eine Million Quadratmeter große Ausstellungsgelände liefen. Die Fachbesucher seien alle dagewesen, die Aussteller deshalb „sehr zufrieden“ mit dem Messeverlauf.

Deshalb geht's der Konjunktur im allgemeinen und der Industrie im besonderen noch nicht durchgängig „gut“. Der Auftragseingang bei der westdeutschen Industrie war im Februar etwa genausohoch wie im Januar, so das Bundeswirtschaftsministerium gestern. Die Sonderkonjunktur „Deutsche Einheit“, von der neben der westdeutschen Industrie auch die ausländischen Handelspartner (s. Grafik) profitierten, ist vorbei; die Weltkonjunktur bessert sich für die Exporteure von Investitions- und Industriegütern nur langsam. So sanken die Bestellungen bei der Maschinenbauindustrie aus dem Ausland 1991 um 17 Prozent, im Inland nahmen sie gerade mal um ein Prozent zu. In diesem Jahr rechnen die Maschinenbauer mit stagnierender Produktion.

Die Konjunktureinschätzungen sind allerdings keinesfalls einheitlich. Das HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung rechnet damit, daß sich die Exportbedingungen für die westdeutsche Industrie später als erwartet, also erst im Sommer wieder bessern werden. Demgegenüber registriert der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) seit Dezember eine Zunahme der Exporte. Die Ausfuhreinbußen sind nach Auffassung der BDI-Experten nicht so sehr auf die vielbeschworene nachlassende Wettbewerbsfähigkeit zurückzuführen, sondern darauf, daß die westdeutsche Industrie ihre Kapazitäten nutzte, um vorrangig die Nachfrage in Ostdeutschland zu befriedigen. Seit der Nachholbedarf dort gesättigt ist, wird wieder stärker für den Export produziert, was sich an dem Außenhandelsüberschuß von 2,3 Milliarden Mark im Februar zeige. Der BDI hat für dieses Jahr deshalb ein Exportwachstum von drei Prozent gegenüber einem Wachstum der Gesamtwirtschaft in Westdeutschland um 1,5 Prozent prognostiziert.

Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie wurde auf der Messe ebenfalls höchst unterschiedlich beurteilt. Die Branchen mit den größten Schwierigkeiten, wie Textilindustrie und Werkzeugmaschinenbau, waren erst gar nicht in Hannover vertreten. Die Investitionsgüter- Produzenten, das Gros der Aussteller, beklagten allenthalben die „bedrohlichen“ Tarifabschlüsse: Bereits im letzten Jahr seien die Lohnstückkosten im Schnitt um fünf Prozent gestiegen. Darüber wiederum freuten sich ganz offen die Hersteller von Industrierobotern: Sie hoffen, daß höhere Lohnkosten einen weiteren Automatisierungsschub in den Fabriken auslösen, und das nicht nur zugunsten der japanischen Konkurrenz. Zwar seien japanische Firmen in der Mikroelektronik führend, dafür könnte die deutsche Konkurrenz aber eher die Verbindung zwischen High-Tech und herkömmlichen Maschinen leisten und anwendungsorientiertere Angebote machen.

Wie erfolgreich eine Messeteilnahme für die Aussteller ist, zeigt sich — zumindest für mittelständische Firmen — in den Vertragsabschlüssen. Die Zulieferbetriebe, so Ulrich Koch, seien zum Großteil zufrieden — vor allem jene aus den neuen Bundesländern, die erstmals die Kontaktmöglichkeiten zur Geschäftsanbahnung nutzen konnten. Firmen aus Baden-Württemberg äußerten sich demgegenüber enttäuscht. Sie waren aus den vergangenen drei Boom-Jahren Besseres gewöhnt. Geht's deshalb ihnen und der westdeutschen Industrie schlecht?