Rechtsaufsicht per Handschrift

■ Humboldt-Universität entzog ForschungsstudentInnen Stipendium auf fragwürdige Weise/ Studenten stellen heute Anfrage im Akademischen Senat

Mitte. Die Leitung der Humboldt- Universität (HUB) ist dafür mitverantwortlich, daß ein Großteil ihrer ForschungsstudentInnen kein Stipendium mehr bekommt. Der Entzug der Stipendienzusage im Februar dieses Jahres durch den amtierenden Rektor Adolf Zschunke erfolgte auf eine äußerst fragwürdige Weise, wie gestern bekannt wurde: Zschunke faßte offenbar die handschriftliche Notiz eines hohen Beamten der Wissenschaftsverwaltung als Rechtsaufsichtsmaßnahme auf.

Der Wissenschaftssenat hatte im Herbst 1991 durch seine Staatssekretärin Steffie Schnoor der Hälfte der 400 ForschungsstudentInnen der HUB das Stipendium entzogen. Vorher waren die nach altem DDR- Recht Promovierenden von einer rein westlich besetzten Kommission im Eilverfahren (400 Gutachten in 43 Tagen) »evaluiert« worden. Inzwischen erklärte das Berliner Verwaltungsgericht den Wissenschaftssenat für unzuständig. Nur die Uni selbst könne den ForschungsstudentInnen das Stipendium entziehen.

Im Februar erteilte Adolf Zschunke den Negativbescheid und rechtfertigte dies damit, daß die Universität vom Wissenschaftssenat per Rechtsaufsicht dazu angewiesen worden sei. Die Existenz dieser Anweisung wird indes von den studentischen SenatorInnen der HUB bezweifelt. Sie fragen in der heutigen AS-Sitzung, ob und wie die Rechtsaufsichtsmaßnahme des Wissenschaftsenates erfolgt sei. Den ForschungsstudentInnen müßten die finanziellen Möglichkeiten zum Abschluß ihrer Promotion eingeräumt werden.

Wie die taz gestern über die strittige »Rechtsaufsichtsmaßnahme« in Erfahrung bringen konnte, überreichte der Wissenschaftssenat diese durch einen hohen Beamten »handschriftlich auf einem Zettel während eine Personalkommissionssitzung«. Dies sagte Kajo Pieper, Leiter der Abteilung Studienangelegenheiten der HUB.

Bei einem Anwalt der ForschungsstudentInnen, von denen inzwischen viele ihre Promotionsvorhaben abgebrochen haben oder sie ruhen lassen, rief dies nur Kopfschütteln hervor. »Das ist ja lustig«, sagte Karl-Heinz Christoph, daß der Wissenschaftssenat auf diese Weise »in Alltagsdinge« der Universität hineinregiere. Juristisch sei das »nahezu nicht einzuordnen«. Christoph übte auch Kritik an der HUB. »Das kommt auf den Empfänger der Notiz an, auf dessen Rückgrat«, sagte Christoph. cif