: Gatt droht am Bananenkrieg zu scheitern
Der Gatt-Verhandlungssausschuß kommt wegen des EG-Kommissionsbeschlusses über Bananenimporte nicht weiter/ Abkommen über Liberalisierung des Welthandels verschleppt sich ■ Aus Genf Andreas Zumach
„Die Gatt-Verhandlungen treten in eine konkrete Phase. Wir haben eben 45 Minuten lang über Bananen diskutiert. Das ist doch ein Fortschritt.“ Arthur Dunkel, Geneldirektor des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (Gatt) flüchtete sich am Montagabend in Galgenhumor. Soeben hatten die VertreterInnen der 108 Gatt-Staaten im höchsten Verhandlungsausschuß (TNC) der sogenannten „Uruguay-Runde“ mehr als die Hälfte ihrer Sitzungszeit über die Absicht der Brüsseler EG-Kommission gestritten, Bananen aus Latein- und Mittelamerika künftig mit 20prozentigen Zöllen zu belegen. Diese Maßnahme soll die Verkaufschancen für die teureren Bananen aus den ehemaligen nordafrikanischen und karibischen Kolonien Spaniens, Frankreichs und Portugals in den EG-Ländern verbessern. Die Unterhändler fast sämtlicher latein- und mittelamerikanischer Staaten griffen die EG-Kommission scharf an und rügten die Absicht der Kommissare als Sabotageakt gegen das Gatt-Ziel, den Handel mit Agrarprodukten zu liberalisieren.
„Dieser Beschluß der EG-Kommission zum jetzigen Zeitpunkt paßt wie die Faust auf's Auge“, erklärte auch ein deutscher Vertreter der Genfer Gatt-Verhandlungsdelegation. Er sah zugleich aber wenig Chancen für Dunkels Wunsch, der letztlich maßgebliche EG-Agrarministerrat werde die mit elf gegen sechs Stimmen getroffene Bananen- Entscheidung der Kommission nicht übernehmen.
Tatsächlich ist der Brüsseler Bananenbeschluß der symbolische Sargnagel für das Gatt-Abkommen zu der von Dunkel im Januar gesetzten Osterfrist. Niemand rechnet ernsthaft damit, daß es noch vor den US-Präsidentschaftswahlen Anfang November zu einer Einigung kommt. Offiziell wollte Dunkel zwar die Hoffnung noch nicht aufgeben, daß US-Präsident George Bush und EG-Kommissionspräsident Jacques Delors Ende April den Knoten doch noch durchschlagen und damit ein Ergebnis der seit September '86 laufenden Verhandlungsrunde näher rückt. Aber selbst engste Mitarbeiter Dunkels erwarten von Delors' Reise nicht mehr als vom Washington-Besuch Bundeskanzler Kohls im März. Und dieser endete nach übereinstimmender Ansicht der Gatt-Experten in einer Pleite.
Liegt Ende April kein Gatt-Abkommen auf dem Tisch, bleibt für den US-Kongreß nicht mehr genug Zeit zur Ratifizierung. Am 1.Juni läuft das vom Kongreß bereits letztes Jahr verlängerte Gatt-Verhandlungsmandat („fast track“) der Bush- Administration aus.
Sollte Bush Anfang November wiedergewählt werden, könnte er den Gatt-Prozeß sofort wieder aufnehmen. Bis dahin werden die Verhandlungen zwar formal nicht abgebrochen, aber auf Sparflamme gesetzt. Ein demokratischer Präsident wäre frühestens nach seiner Amtseinsetzung im Januar nächsten Jahres handlungsfähig.
Deutlicher als bei früheren Gelegenheiten machte Dunkel am Montag abend klar, bei wem er die Hauptverantwortung für das erneute Scheitern der Uruguay-Runde nach der Pleite des Brüsseler Ministertreffens im Dezember 1990 sieht: bei der EG und ihrer Weigerung, Marktzugangshindernisse für ausländische Agrarprodukte abzubauen und einheitlich in Zölle umzuwandeln. Auch hat sich die EG bislang nicht auf die vom Gatt-Generaldirektor im Dezember vorgelegten Kompromißzahlen für die Reduzierung von Exportsubventionen und internen Beihilfen für Bauern eingelassen. „Nach einem verheißungsvollen Start im Januar“ hätten die Verhandlungen ihr „Momentum verloren“. Zu diesem Resümee des Gatt-Generaldirektors beigetragen haben auch die im März eingebrachten Vorschläge der USA, vier zentrale Dienstleistungssektoren — und damit rund 75 Prozent dieses wichtigen Handelsbereiches — von einem Gatt-Abkommen auszunehmen.
Dunkels resignierter Kommentar: „Das ist weit entfernt davon, was ich von einem Land erwarte, das sich zu Beginn der Uruguay-Runde so vehement für eine völlige Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen eingesetzt hatte.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen