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Kein deutscher Film in Cannes

■ Heute werden die Filmfestspiele eröffnet/ USA dominieren Wettbewerb

Berlin (taz) — Es ist wieder soweit: Die Strände sind geharkt, die Preise erhöht, die Hotels ausgebucht — heute eröffnen die 45. Internationalen Filmfestspiele von Cannes. Die taz wird mit einer täglichen Kolumne dabeisein.

Eröffnungsfilm ist Paul Verhoevens Basic Instinct, der weniger durch Qualität als durch virtuoses Marketing auffällt. Der Film hat sich als „Skandal“ ins Gerede gebracht — die Mörderin ist Lesbe. Freunde und Freundinnen der Erotik seien allerdings gewarnt.Die Sexszenen werden selbst in der ungekürzten Fassung, die in Cannes gezeigt wird, kaum so drastisch sein wie die Gewalt. Die USA dominieren im Wettbewerb von Cannes mit sieben von etwa zwanzig Teilnehmern.

Große Hollywoodproduktionen sind allerdings kaum darunter, eher Klassiker und Newcomer des amerikanischen Autorenfilms. David Lynch, der 1990 mit Wild at heart in Cannes die Siegespalme davontrug, ist in diesem Jahr mit einer Kinofassung seiner TV-Kultserie Twin Peaks präsent. Der Film, der die letzten sieben Tage des Mordopfers zeigt, verspricht vieles, nur keine Antwort auf die Frage „Wer hat Laura Palmer umgebracht?“

Zur starken Riege der US-Produktionen gehören zwei Altmeister der Filmregie: Robert Altman (MASH) zeigt mit The Player eine satirische Hollywood-Abrechnung, in der Dutzende von Stars sich selbst spielen, wie Julia Roberts, Jack Lemmon, Harry Belafonte, Bruce Willis, Burt Reynolds oder Nick Nolte. Sydney Lumet (Serpico) stellt Close to eden vor. Vom jungen New Yorker Filmemacher Hal Hartley (Trust) läuft Simple Men.

Die US-Dominanz kann jedoch nicht den Blick auf andere preisverdächtige Beiträge verstellen. Der dänische Regisseur Bille August, der 1988 mit Pelle, der Eroberer für die Überraschung in Cannes sorgte, tritt mit Den gode viljan (Die besten Absichten) nach einem Drehbuch von Ingmar Bergman an.

Erwartungen werden auch an die beiden Beiträge aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) geknüpft. Luna Park von Pawel Lungin, der im August 1991 zur Zeit des Putsches entstand, behandelt das Thema Gewalt. Eine Bande von Rechtsradikalen macht in Moskau Jagd auf Rocker, Juden und Homosexuelle. Für sein Erstlingswerk Taxi Blues erhielt Lungin 1990 in Cannes den Großen Regiepreis. Wital Kanewski zeigt seinen zweiten Film Ein unabhängiges Leben auch lieber an der Croisette — er war kurzfristig von der Berlinale zurückgezogen worden.

Frankreich, das in diesem Jahr mit Gerard Depardieu den Vorsitzenden der Jury stellt, tritt mit drei weniger bekannten Regisseuren an. Mehdi Charef (Tee im Haarem des Archimedes) führt ins Land der Juliets. Von der Rückkehr Casanovas von Edouard Niermans erhofft sich vor allem Alain Delon einen Preis für die Titelrolle des alternden Liebhabers. Großbritannien wird von James Ivory (Howard's End) und Terence Davies (The long day closes) vertreten. Italien ist mit Gianni Amelios Il ladro di bambini/ Kinderdieb vertreten, der ebenfalls den Weg nach Berlin gescheut hatte, und Spanien mit Victor Erices El Sol del Membrillo/Traum vom Licht. Andere Beiträge kommen aus Senegal, Kanada, Chile und Argentinien. Ein deutscher Film ist nicht im Wettbewerb.

Für uns wird wie in den letzten Jahren Thierry Chervel berichten— nur die morgige Kolumne über Basic Instinct hat er an Marcia Pally abgetreten.

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