piwik no script img

Gegen die Trugbilder der „Neuen Weltordnung“

■ Es gibt noch Gründe für den bewaffneten Kampf

Seit 1989 präsentieren die internationalen Medien lauter Trugbilder. Die seit Jahrhunderten geltenden „traditionellen“ Mittel und Methoden der Unterdrückten im gesellschaftlichen Kampf seien in der „Neuen Weltordnung“ sinnlos geworden. An scheinbaren Beweisen dafür mangelt es nicht: Die lateinamerikanischen Guerilleros, die feierlich ihre Waffen begraben und sich Wahlkämpfen zuwenden; die südafrikanischen Kämpfer, die sich mit dem weißen Rassistenregime an den Verhandlungstisch setzen und den neuen Status von Staatsmännern genießen. Die europäischen Aktionisten, die einst ihre Existenzberechtigung darin sahen, daß sie „hinter der Frontlinie“ kämpfen, haben den Kreis geschlossen. Die Roten Brigaden in Italien und die RAF in Deutschland legen ihre Waffen nieder.

Was in den vergangenen 25 Jahren die revolutionären Bewegungen in der Dritten Welt dazu bewog, politische Gewalt anzuwenden, war nicht das Versessensein auf ein „Gewaltprinzip“, sondern die Veränderung des internationalen politischen Klimas. Die Bourgeoisien in den Ländern der Dritten Welt bekamen Schwierigkeiten, mit Formen offener Gewalt zu herrschen. Dies war nicht zuletzt ein Ergebnis des bewaffneten Kampfes.

Doch daß die revolutionäre Gewalt in mehreren Ländern untauglich für erfolgreichen politischen Kampf geworden ist, heißt nicht, daß sie allerorts abzulehnen ist. Die Türkei ist dafür ein wichtiges Beispiel. Während im Westen der Türkei die bewaffnete revolutionäre Bewegung in den neunziger Jahren den bewaffneten Kampf aufgab und sich legalen politischen Parteien zuwandte, wurde der bewaffnete Kampf in Kurdistan zu dem Mittel, das die Rechte des kurdischen Volkes auf die politische Tagesordnung setzte. Die politische Gewalt mag zum einen anachronistisch geworden sein, zum anderen ist sie jedoch auch Teil des zeitgenössischen gesellschaftlichen Prozesses. Ertugrul Kürkcü

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen