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Spike Lee, der Kultfilm-Regisseur mit Baseballmütze

Zwei Wochen nach den Unruhen in L.A.: Spike Lee präsentiert bei den Filmfestspielen in Cannes seinen neuen Film „MalcolmX“ Wie schon viele andere schwarze Filme in den letzten Jahren wird aber auch dieser keinen Bürgerkrieg in den USA auslösen  ■ Aus Cannes Marcia Pally

Kurz bevor Spike Lee 1989 Do the Right Thing herausbrachte, glaubten Universal Pictures und große Teile der US-Presse, daß der Film einen Rassenaufstand auslösen würde. Do the Right Thing, der mit einem Überfall auf den benachbarten Pizza-Laden endet, löste aber keine Unruhen aus.

Zwei Jahre später befürchteten Presse und Öffentlichkeit, daß John Singletons Boyz 'n the Hood Rassenprobleme hervorrufen würde. Boyz führte nicht zu Ausschreitungen. Außerhalb eines Kinos in Los Angeles kam es zu Krawallen, ausgelöst von schon lange verfeindeten Gangs, die aufeinanderprallten, weil die Kinoleitung 1.500 Eintrittskarten zuviel verkauft hatte.

Einige Wochen später glaubten Presse und Öffentlichkeit, daß Mario van Peebles' New Jack City zu Unruhen unter den Schwarzen führen würde. Aber es geschah wiederum nichts. Dieses Jahr hat Spike Lee auf dem Filmfestival von Cannes seinen Film über das Leben von MalcolmX vorgestellt, in den USA als Anstifter einer gewaltsamen Revolution gefürchtet, die allerdings nicht ausbrach.

Eine Woche bevor Spike Lee nach Cannes kam, hatte ein ausschließlich mit Weißen besetztes Schwurgericht fünf Polizisten freigesprochen, die den Schwarzen Rodney King mit 56 Schlägen verprügelt hatten, als sie ihm ein Strafmandat wegen überhöhter Geschwindigkeit geben wollten. US-Presse und Öffentlichkeit hegten keinerlei Befürchtungen, daß die Verlegung der Gerichtsverhandlung von Los Angeles in einen als rassistisch und polizeifreundlich bekannten Vorort zu Unruhen führen könnte. Aber gleich nach dem Urteil kam es in L.A. und in anderen Städten zu massiven Aufständen.

MalcolmX war in seiner Jugend Dieb, Bettler und Dealer, bis er im Gefängnis das bekam, was Lee als eine Vision von sich selbst als Erlöser und Lehrer bezeichnet. In den nächsten sechzehn Jahren bemühte er sich um die Schaffung einer Bewegung für Rassengleichheit, die auf islamischen Lehren und auf der Selbstachtung der Schwarzen beruhte. Innere Auseinandersetzungen zwangen ihn, die Bewegung zu verlassen. „Für die Muslims“, sagte Malcolm zu einem Freund, „bin ich zu weltlich; für andere Gruppen bin ich zu militant. Ich fühle mich wie auf einem Drahtseil.“ In seinen letzten Lebensjahren wurde Malcolm zu einem Redner und charismatischen Führer von internationalem Rang. Im Alter von 39 Jahre wurde er ermordet, und zwar, wie Lee schrieb, „von denen, die er überzeugen wollte“. Dargestellt wird er in Spike Lees Film von Denzel Washington.

Bei unserem Treffen in Cannes trug Lee seine charakteristische Baseball-Mütze und eine schwarze Lederjacke, die auf seinem schmächtigen Körper eine schwache Erinnerung an Mike Tyson hervorrief. Allen Journalisten, mit denen er gesprochen hatte, gab er zum Schluß ein MalcolmX-T-Shirt, das er selbst signierte. Es zeigt ein großes X inmitten der „Stars and Stripes“ der US-Flagge. Er war weniger aufsässig, als es sein Ruf in den USA vermuten ließ.

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