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Jäger90: Angst um Arbeitsplätze

■ Bei der Deutschen Aerospace AG sind 8.000 Arbeitsplätze von dem Ausstieg aus dem Rüstungsprojekt betroffen/ CSU verlangt vor endgültiger Entscheidung Spitzengespräch der Koalition

München (dpa/ap/taz) — Der geplante Ausstieg der Bundesrepublik aus dem europäischen Projekt für das Kampfflugzeug Jäger 90 betrifft allein bei dem Luft- und Raumfahrtkonzern Deutsche Aerospace AG (Dasa) 8.000 Arbeitsplätze. Wie Dasa-Betriebsrat Alois Schwarz gestern erklärte, sind einschließlich der Zulieferer sogar insgesamt 20.000 Arbeitsplätze betroffen. Er bezeichnete den Ausstieg aus dem Projekt als eine in ihrer Dimension einmalige Fehlentscheidung und appellierte an die Politik, doch noch einer Produktion zuzustimmen.

Auf die in Ottobrunn bei München ansässige Daimler-Tochter Dasa entfallen schätzungsweise 80 Prozent der bundesdeutschen Entwicklungs- und Baukosten des Rüstungsprojektes.

Der Dasa-Vorstandsvorsitzende Jürgen Schrempp hatte erst kürzlich in einem Interview erklärt, daß bei einem Stopp des Vorhabens „einige Fabriken ganz geräuschlos“ geschlossen werden.

Aus Bonner Regierungskreisen wurde gestern bekräftigt, daß das Flugzeug wegen der hohen Kosten nicht angeschafft werden soll. Widerstand regte sich gestern allerdings in den Reihen der CSU, die von Kanzler Kohl ein Spitzengespräch über den geplanten Ausstieg forderte. Die CSU werde auf eine „alte Vereinbarung pochen“, hieß es drohend aus München.

In der FDP sind die Meinungen über den Jäger 90 nach wie vor geteilt. Der Vorsitzende des außenpolitischen Arbeitskreises der FDP- Bundestagsfraktion, Ulrich Irmer, hat sich nachdrücklich gegen einen deutschen Rückzug aus dem Gemeinschaftsprojekt ausgesprochen. Dagegen sprach der FDP-Abrüstungsexperte Olaf Feldmann von einem „Sieg der Vernunft“.

Bei der Dasa ist man nach wie vor darauf eingestellt, daß das Jagdflugzeug hergestellt wird. Ein Sprecher des Konzerns wartete gestern mit Rechenkunststücken auf. Dem Verteidigungsministerium liege seit geraumer Zeit ein verbindliches Angebot für den Jäger 90 vor. Demnach beläuft sich der Stückpreis für ein Flugzeug ab Werk auf 68 Millionen Mark. Hinzu kämen allerdings noch Mehrwertsteuer und die Kosten für die Serienvorbereitung. Nach einer Meldung, zu der das Verteidigungsministerium nicht Stellung beziehen wollte, liegt ein Angebot von 95 Millionen Mark vor. Ein Rüstungsbeamter zeigte sich von diesen Zahlen „äußerst verwundert“. In Bonn könne man es sich nicht vorstellen, daß über Nacht ein wesentlich niedrigerer Preis zustande gekommen sein soll. Zuletzt war ein Stückpreis von 135 Millionen Mark genannt worden. Die Auseinandersetzungen mit dem Bundesverteidigunsministerium beziehen sich nach Darstellung der Dasa auf den Systempreis. Dieser liegt nach Dasa-Berechnungen bei 120 bis 125 Millionen Mark, das Ministerium kommt dagegen auf 133,9 Milllionen Mark. Im Systempreis sind die Gesamtkosten enthalten, einschließlich der Logistik, Ausbildung oder der Kontrollgeräte am Boden. Bei diesen Komponenten, so die Dasa, könne aber eingespart werden.

Eine endgültige Entscheidung über das Schicksal des Jäger 90 fällt am 1. Juni bei einer Expertenrunde der Koalition.

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