Eine Lektion mit Folgen

Klassiker „In der Hitze der Nacht“, künftig seriell in der ARD  ■ Von Harald Keller

Mit insgesamt fünf Auszeichnungen gehörte der Kassenerfolg In der Hitze der Nacht zu den großen Gewinnern der Oscar-Verleihung des Jahres 1967. Ein Oscar ging an Rod Steiger für die Darstellung des Polizeichefs Bill Gillespie. Nicht einmal nominiert war dagegen Sidney Poitier, der von Kritikern hochgelobte Hauptdarsteller. Da seine schauspielerische Leistung außer Zweifel stand, gab es nur eine Erklärung: Die Mitglieder der Akademie störten sich an seiner Hautfarbe. Ein eigentümlicher Vorgang, weil die besondere Qualität dieses Films gerade darin bestand, daß das Thema Rassendiskriminierung publikumswirksam in eine klassische „Whodunit“-Handlung integriert wurde.

Während Virgil Tibbs (Poitier) in dem Südstaatenkaff Sparta des Nachts auf seinen Anschlußzug wartet, wird er unter Mordverdacht festgenommen. Die Provinzsheriffs machen lange Gesichter, nachdem sich der vermeintliche Schwerverbrecher als Kollege ausweisen kann. Widerwillig hilft der gedemütigte Tibbs dem vorurteilsbeladenen und inkompetenten Polizeichef Gillespie (Steiger) bei der Suche nach dem wahren Täter. Am Ende des Films hat Gillespie gelernt, den schwarzen Kollegen zu respektieren.

Der meisterhaft inszenierte Film wurde von Teilen der Kritik als pseudoliberales Aushängeschild des unverändert rassistischen Hollywood- Establishments gebrandmarkt, stieß aber bei afroamerikanischen Filmpublizisten auf wohlwollendes Interesse und auf großen Zuspruch seitens des Publikums. Szenen wie jene, in der Tibbs von einem rassistischen Großgrundbesitzer ins Gesicht geschlagen wird und ganz selbstverständlich mit einer schallenden Ohrfeige antwortet, waren in jenen Jahren eine unerhörte Angelegenheit — die schwarzen Filmbesucher quittierten diese handfeste Lektion mit donnerndem Szenenapplaus.

Aufgrund des großen Erfolges entstanden zwei weitere Kinokrimis mit Virgil Tibbs, in denen allerdings der Rassenkonflikt allenfalls marginal thematisiert wurde. Fred Silverman, der einst die Produktion der innovativen Fernsehserie Polizeirevier Hill Street ermöglicht und damit der Gattung neue Impulse gegeben hatte, konzipierte 1988 eine TV- Reihe nach Motiven des Films und des ihm zugrundeliegenden, mit dem Edgar-Allen-Poe-Preis ausgezeichneten Romans gleichen Titels von John Ball. Hier nun ist der schwarze Polizeibeamte (Howard Rollins) nicht länger ein ominöser Fremdling, dessen selbstbewußtes Auftretendie an weiße Vorherrschaft gewöhnten Spartaner durcheinanderbringt, sondern ein Sohn der Stadt, der nach längerer Abwesenheit zurückkehrt und vom Bürgermeister aus wahltaktischen Gründen zum Chief Detective gemacht wird. Der Polizeichef Gillespie (Carroll O'Connor), hier eher gutmütig patriarchalisch als, wie im Kinofilm jähzornig und opportunistisch, beäugt den Neuen anfangs mit Mißtrauen. Das aber gibt sich noch im Verlaufe des Pilotfilms, eine wunderbare Freundschaft nimmt ihren Anfang, und die für eine Kleinstadt erstaunlich rege Unterwelt Spartas sieht fürderhin ziemlich schwarz, denn Tibbs bedient sich bei der Verbrechensbekämpfung modernster kriminaltechnischer Methoden. Sein Partner Gillespie dagegen zeichnet sich aus durch profunde Kenntnis seiner Stadt und ihrer Bewohner. Die familiären Probleme der Haupt- und Nebenfiguren liefern der episodisch angelegten Serie zusätzliche Handlungskomponenten. So gibt es, anders als im Kinofilm, hier eine Mrs. Tibbs, während die Aufmerksamkeit des knorrigen Chief Gillespie auf sein Patenkind Barbara (Jill Carroll) gerichtet ist.

Der Pilotfilm In der Hitze der Nacht — Willkommen in Sparta läuft am 22. Mai um 20.15 in der ARD; die Serienepisoden jeweils montags um 21.45 Uhr.