: Rabbiner: Gräber müssen bleiben
■ Jerusalems Oberrabbiner Kolitz sperrt sich gegen jede Bebauung des Friedhofs in Hamburg/ „Ein Schandmal“/ Jüdische Gemeinde und Investoren halten sich mit Reaktionen bedeckt
Hamburg (dpa/taz) — Der salomonische Spruch kam per Fax aus Jerusalem. Itzhak Kolitz, Oberrabbiner von Jerusalem, hält die Bebauung des umstrittenen jüdischen Friedhofs im Hamburger Stadtteil Ottensen für unvereinbar mit dem jüdischen Recht. In seinem gestern veröffentlichten Gutachten schreibt der Rabbi, jedes Gebäude über dem Friedhof werde ein „Schandmal“ für die Regierungen in Bonn und Hamburg sein. Kategorisch und „schweren Herzens“ lehnte der anerkannte Talmudgelehrte auch eine Ausschachtung des Geländes und eine vom Hamburger Senat angebotene Umbettung der Totengebeine ab. Die Würde der Toten müsse „auf ewig“ gehütet werden.
Der Oberrabbiner sollte den Streit zwischen der Jüdischen Gemeinde in Hamburg und ultra-orthodoxen Juden aus aller Welt schlichten. Die Gemeinde hatte der Umbettung zugestimmt, während die Anhänger der „Gesellschaft zur Erhaltung heiliger Stätten“ (Athra Kadisha), die seit Wochen vor dem Gelände demonstrieren, gegen jede Umbettung protestieren. Beide Seiten hatten erklärt, den Beschluß des Rabbiners akzeptieren zu wollen. Die Jüdische Gemeinde Hamburg jedoch wollte auf Anfrage noch keine Stellung beziehen; erst am späten Abend werde auf einer nicht-öffentlichen Sitzung über den Spruch aus Jerusalem diskutiert, sagte eine Mitarbeiterin. Auch der Investor, die Hamburger Firma Büll&Liedtke, muß jetzt entscheiden, ob er das Votum des Rabbiners akzeptieren wird. Das Unternehmen wollte unter dem Einkaufszentrum ein dreistöckiges Parkdeck bauen.
Der rund 350 Jahre alte Friedhof war in den dreißiger Jahren von den Nationalsozialisten zerstört worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er an die Jüdische Gemeinde in Hamburg zurückgegeben, die ihn jedoch Anfang der fünfziger Jahre verkaufte. Danach errichtete der Hertie- Konzern dort ein Kaufhaus. Der Friedhof sei vor 326 Jahren von der damaligen Jüdischen Gemeinde, so Rabbi Kolitz, als „ewigliches Eigentum“ erworben worden. Keine Körperschaft habe das Recht, einen Friedhof zu verkaufen, zu übergeben oder abzutreten. Der Verkauf des Friedhofs durch die Jüdische Gemeinde habe keine Gültigkeit.“
Schwere Vorwürfe richtete der Rabbiner an Bundesregierung und Hamburger Landesregierung, mit deren Vertretern er vor einer Woche gesprochen hatte. Sie hätten sich die Verantwortung gegenseitig zugewiesen und sich trotz aller Bitten geweigert, einen klaren Beschluß zur Auslösung „dieses von den Nazis geschändeten Orts“ zu fassen.
Der Hamburger Senat hatte es bislang abgelehnt, die vom Investor geforderten 50 Millionen Mark für den Friedhof aufzubringen und sich auf den rechtmäßigen Verkauf des Geländes berufen.
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