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Eieieiei — ÖKO-KARNEVAL IN RIO Von Mathias Bröckers

Neulich im Treppenhaus überkam mich ein unwiderstehlicher Hang zur subversiven Aktion: die Idee, den Stapel alter Zeitungen in die Mülltonne und die Plastiktüte mit dem Müll in den Papiercontainer zu werfen. Zu meinem eigenen Erstaunen führte ich die Tat dann nicht nur aus, sondern tarnte den Müll im Papiercontainer auch noch mit einigen Zeitungen, damit die Müllmänner bei ihrem Kontrollblick nur ja nichts merken. Kaum war der heimtückische ökoterroristische Anschlag ausgeführt, stellten sich ernsthafte Zweifel ein, denen auf dem Weg zurück in die Wohnung eine ernsthafte Überprüfung des Geisteszustands folgte — freilich ohne negativen Befund. Wenn aber alles normal tickt im Hirnkasterl, wie können einem da derart verrückte Ideen kommen? Die Ursachenforschung führte zu dem Ergebnis, daß es wohl eine Überdosis Rio gewesen sein muß, die mich zum Mülltäter werden ließ — eine instinktive Wut über das schon im Vorfeld absehbare Scheitern der globalen Öko-Konferenz, die sich in einer kindischen Trotzreaktion entlud. Wenn der große George Bush es sich im Weißen Haus einfach herausnimmt, eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes zu verweigern, warum soll ich kleiner Müllproduzent dann vor Ort, an der Containerfront auf meinem versyphten Hinterhof, Disziplin und Vernunft üben? Wenn die Politik der Herren Bush, Kohl & Co., ihre brutale Ökonomie des ewigen Wachstums, grundlegend falsch ist, dient dann mein braves Getrenntsammeln nicht nur dazu, den endgültigen Zusammenbruch dieses ruinösen Systems herauszuzögern? Wäre es nicht angeraten, auch noch die leeren Batterien und die Farbreste „wild“ abzukippen, um der jämmerlichen Umweltfarce möglichst schnell den Rest zu geben?

Obwohl ich es nicht übers Herz brachte, diese letzte Gemeinheit in die Tat umzusetzen, dem Verstand leuchten die Argumente sehr wohl noch ein. Die ungehemmte Verschmutzung repräsentiert unseren Lebensstil sehr viel konsequenter als Müll-„Disziplin“ und Recycling- „Vernunft“, dieser ganze Öko- Schwindel, mit dem wir uns über die fundamentale Lüge hinwegtäuschen: daß es nämlich mit unserem luxurierenden Konsumismus immer weitergehen wird, wenn wir nur fleißig getrennt sammeln, recyceln und katalysieren.

„Dieses ganze Recycling-Gedröhne, die Glascontainer-Manie, das Altpapier-Gezettel, das Omo- phosphatfrei- und Esso-bleifrei-Getue ist doch nichts anderes als ein grandioses Winterhilfswerk: Nach der Druckkesselschlacht bei Tschernobyl und dem Giftattentat auf Vater Rhein ist die deutsche Hausfrau nicht mehr nur Mutter, nein, sie hilft eisern, die Katastrophe an der Umwelt-Front aufzuhalten... Ab acht Tonnen Wertstoff wird demnächst das ,Müllkreuz am Bande‘ verliehen, für fünf Jahre Mehrkomponentensammeln gibt's die ,Deponie in Gold‘...“ — So zeterte ich in einer taz-Kolumne im November 1986. Der Hang zum Müll-Terrorismus war offenbar schon damals angelegt, und doch habe ich seit fast sechs Jahren bei diesem Winterhilfswerk eisern mitgemacht. Ist also dieser Öko- Karneval in Rio, für den eigens eine Autobahn durch den Urwald geschlagen wurde, nicht völlig in Ordnung? Jawohl! Und da hilft kein Jammern: Gerade weil nicht mehr herauskommt als billige Kosmetik für eine Politik der verbrannten Erde, ist es genau die Konferenz, die wir uns täglich an der Mülltonne verdienen!

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