: Polizei überwachte orthodoxe Juden
■ Auf der Spur von Demonstranten gegen die Bebauung des ehemaligen jüdischen Friedhofs
Hamburg (taz) — Ein mehr als seltsames Verhältnis zum Datenschutz dokumentiert die Hamburger Polizei im Konflikt um den ehemaligen jüdischen Friedhof im Hamburger Stadtteil Ottensen: In einem Fernschreiben an alle Hamburger Dienststellen hat die Polizeidirektion am Freitag dazu aufgefordert, „ab sofort Erkenntnisse über Anreise und Aufenthalt von orthodoxen Juden in Hamburg dem Lagedienst“ mitzuteilen. Mit anderen Worten: Rundumüberwachung, für alle, die schwarze Käppis, schwarze Gewänder und lange Nase haben. Am Montag abend wurde das Fernschreiben auf Weisung des Innensenators aufgehoben. Es sei „unnötig, überflüssig, mißverständlich und unglücklich formuliert“.
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes reichte gestern eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den verantwortlichen Landespolizeidirektor Krappen ein. In einem Schreiben an Hamburgs Regierungschef Voscherau (SPD) heißt es, der Sinngehalt des Fernschreibens lasse nur einen Schluß zu: „Hier werden mit großer Kälte notwendige Lehren aus dem Terror des Nazistaats, aus dem Schicksal der jüdischen Menschen und aller Verfolgten des Naziregimes mißachtet.“
Das Fernschreiben ist nicht das erste Beispiel für den wenig sensiblen Umgang der Behörden im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um den jüdischen Friedhof. Bereits vor vier Wochen waren Polizisten bei einer Räumaktion gewaltsam gegen Rabbiner vorgegangen, die das Friedhofsgelände besetzt hatten.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, hat gestern vor einer weiteren Eskalation des Konflikts gewarnt. Galinski übte dabei auch indirekt Kritik an Oberrabiner Itzhak Kulitz. Man dürfe die Interpretation eines einzelnen Rabbiners nicht zur verbindlichen Lehrmeinung erklären. Kulitz hatte Ende vergangener Woche ein Gutachten vorgelegt, in dem er die Bebauung des Friedhofs nur ohne Ausschachtungsarbeiten genehmigt hatte. Eine Möglichkeit, die die Kaufhausbauer bereits verworfen hatten. Der Hamburger Senat will nun in Verhandlungen mit dem Unternehmen und der jüdischen Gemeinde eine Lösung finden, die dem Gutachen Kulitz' und den Interessen der Investoren gerecht wird. Für Galinski, wie für viele Beobachter, eine Quadratur des Kreises. uex
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