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„Notwendig wie ein Armee-Corps“

■ Dietrich Schwarzkopf, Vize-Präsident des europäischen Kulturkanals, über Arte

taz: Arte hat nicht nur Zustimmung gefunden. Was haben ARD und ZDF gegen den Kulturkanal?

Schwarzkopf: ARD und ZDF haben gar nichts gegen Arte. Es hat in der deutschen Öffentichkeit anfangs Kritik gegeben, weil Arte nicht eine Erfindung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten war, sondern ein Kind der Politik. Aber praktisch sind alle Landesrundfunkanstalten, praktisch ist die gesamte Rundfunkordnung ein Kind der Politik. Ich finde nicht, daß man das einem einzelnen Sender vorhalten kann. Inzwischen ist dieses Stadium der Kritik überwunden.

Warum glauben Sie, daß Arte notwendig ist?

Die Frage der Notwendigkeit hat mein Kollege Clement mit dem schönen Satz beantwortet „weil Europa notwendig ist“. Ich glaube, daß ein europäischer Fernsehkanal mindestens ebenso notwendig ist wie ein europäisches Armee-Corps. Bei dem Armee-Corps muß man sich ja heutzutage fragen, wo denn eigentlich der Feind ist. Aber bei einem europäischen Fernsehkanal gibt es etwas, worum er sich besonders kümmern kann und das sind die immer noch bestehenden Vorurteile. Diese abzubauen ist eine wichtige Aufgabe von Arte.

Während Arte in Frankreich aus der Staatskasse finanziert wird, kostet das Projekt den deutschen Gebührenzahler 75 Pfennig im Monat extra. Wie läßt sich Arte vor den Gebührenzahlern legitimieren, zumal die kulturelle Grundversorgung schon von ARD und ZDF geleistet werden muß?

Diese Frage wäre an die Ministerpräsidenten und an die Landesparlamente zu richten. Wir als diejenigen, die Arte jetzt auf die Beine stellen, können ja nur sagen: es ist durch politischen Entschluß zustandegekommen. Unsere Aufgabe kann nur sein, das Beste daraus zu machen. Es ist nicht unsere Aufgabe, es zu rechtfertigen, es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die Zuschauer es mögen.

Können denn Einsplus und 3sat, die sich ebenfalls der Kultur verschrieben haben, neben Arte überleben?

Es ist so oft darüber geklagt worden, daß die öffentlich-rechtlichen Anstalten zuwenig Kultur haben. Jetzt wird auf einmal geklagt, sie hätten zuviel Kultur. 3sat ist ein Unternehmen deutschsprachiger Länder, Einsplus alleine ARD-Unternehmung. Etwas, das zunächst deutsch- französisch und dann europäisch angelegt ist, gibt es erst mit Arte.

Wie können Sie sich dagegen wehren, daß Arte von den Öffentlich-Rechtlichen als kulturelles Alibiprogramm benutzt wird?

Es gibt ein sehr interessantes Mittel: Die Zulieferungen von ARD und ZDF zu Arte werden ja von Arte bezahlt. Das bedeutet, daß ARD und ZDF auch ein lebhaftes Interesse daran haben, diese Sendungen nach der Erstausstrahlung bei Arte auch in ihrem eigenen Programm mit einem Sendeplatz zu versehen. Bei ARD und ZDF kommen durch das Arte- Geld Sendungen zustande, die es sonst nicht gegeben hätte.

Wie wollen Sie Aufmerkamkeit wecken?

Dadurch, daß wir erstens mal Sachverhalte und Themen wie z.B. Rechtsradikalismus nicht allein aus nationaler Sicht präsentieren. Während im allgemeinen in öffentlich- rechtlichen und privaten Programmen unser Blick auf die Verhältnisse in anderen Ländern gerichtet wird, soll das hier in einem Dialog geschehen.

Wird das deutsche Publikum, das die Synchronisation gewöhnt ist, untertitelte Filme akzeptieren?

Wir werden uns bemühen, die Zahl des Synchronisationen zu vergrößern. Jetzt in der Anlaufzeit war das etwas schwierig. Aber ich glaube auch, das es für das Verständnis eines Films wichtig ist, ihn in der Originalsprache zu hören, selbst wenn man die Originalsprache nicht oder nicht völlig versteht. Außerdem gibt es in Deutschland eine Menge Zuschauer, die an Frankreich interessiert sind, die französisch sprechen oder zumindest französische Grundkenntnisse haben. Es gibt in Frankreich nicht wenige Germanophile, bei den Wagner-Freunden angefangen. Wenn man diese beiden Zuschauerkreise anspricht, hat man schon einen ganz interessanten Grundstock.

In der Zukunft sollen weitere europäische Länder bei Arte mitmachen. Welcher Staat hat die finanziellen Kapazitäten? Ist Arte nur ein Kulturkanal der reichen Länder?

Wir können natürlich und werden niemals sagen, daß wir andere Länder nur dann aufnehmen, wennn sie reich sind. Wir müssen natürlich ein bißchen darauf achten, das nicht plötzlich nur die deutschen und französischen Zuschauer bzw. Steuerzahler die Kosten alleine tragen. Aber man kann ja alle möglichen Formen von Mitwirkung finden, die ja auch in der Zulieferung von Programmen bestehen. Ich glaube, daß wir in einer abgestuften Form von Kooperationen, assoziierten Mitgliedschaften und ähnlichem Möglichkeiten finden können, die es uns erlauben, Mitglieder aufzunehmen, die auch in ihrer Finanzkraft unterschiedlich sind.

Bei der Arte-Präsentation saßen rund ein Dutzend Männer auf dem Podium. Die einzige Frau dabei war die Übersetzerin. Gibt es keine Frauen in Führungspositionen bei Arte?

Die (zögert) Pressechefin gehört zum weiblichen Geschlecht. Das ist die einzige.

Wird sich das in Zukunft ändern?

Im Augenblick sind die leitenden Posten besetzt. Bei der nächsten Umbesetzung mag sich das ändern.

Interview: Sabine Jaspers

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