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Nato streitet über Eurokorps

Ärger über die Bonner Informationspolitik/ Entscheidung über Nato-Hilfe für die KSZE nächsten Donnerstag  ■ Aus Bonn Andreas Zumach

Alle Überzeugungsversuche von Minister Rühe auf der am Mittwoch beendeten Brüsseler Tagung der Nato-Verteidigungsminister konnten die tiefe Skepsis mehrerer Bündnisstaaten gegen das deutsch-französische „Eurokorps“-Vorhaben nicht ausräumen. Über auf der Tagung ebenfalls diskutierte Pläne, der KSZE künftig Nato-Hilfe anzubieten, sollen die Außenminister der Allianz am Donnerstag nächster Woche in Oslo offiziell entscheiden.

US-Verteidigungsminister Cheney beharrte zum Abschluß darauf, die „Zweideutigkeiten“ in der Frage des „Eurokorps“ müßten ausgeräumt werden. Falls das Korps nicht zu einer Stärkung der Nato beitrage, seien die Pläne „destruktiv“. Ähnlich äußerten sich vor allem die Briten, Niederländer und Spanier. An Rühes Versicherung, das Korps solle „im Ernstfall“ immer dem Nato- Oberbefehlshaber unterstellt werden, blieben erhebliche Zweifel. Es wird stark bezweifelt, daß Frankreich eine entsprechende Formulierung unterschreiben wird. Denn Paris verfolgt mit den „Eurokorps“- Plänen ja gerade die Absicht, die Bedeutung der Nato und damit den US- Einfluß in Westeuropa zu schmälern.

Ärger erregte bei den Bündnispartnern die Bonner Informationspolitik vor dem deutsch-französischen Gipfel. Nach übereinstimmenden Angaben von Diplomaten und Militärattachés mehrerer westeuropäischer Nato-Länder vermied Bonn bewußt eine gemeinsame Unterrichtung. Statt dessen wurden die Bündnispartner in bilateralen Gesprächen gebrieft. Vertreter mehrerer Staaten stellten später fest, daß sie sehr unterschiedliche, zum Teil sogar gegensätzliche Informationen erhalten hatten. So wurden Staaten, mit deren baldiger Beteiligung am „Eurokorps“ die Bundesregierung rechnet (zum Beispiel Belgien) anders informiert als zum Beispiel die Niederlande und Großbritannien, deren Widerstand es zu beruhigen galt.

Bezüglich einer Nato-Hilfe für die KSZE erklärten die Verteidigungsminister in ihrem Schlußkommuniqué, sie wären „bereit, Mittel und Wege zu erwägen, wie die Ressourcen und das Fachwissen des Bündnisses für friedenserhaltende Aufgaben der KSZE zur Verfügung gestellt werden könnten“. Nato-Generalsekretär Wörner interpretierte diese Formulierung sehr weitgehend mit der Behauptung, es herrsche Übereinstimmung über einen Einsatz von Nato-Truppen.

Es scheint jedoch äußerst unwahrscheinlich, daß die Nato-Außenminister am nächsten Donnerstag mit der notwendigen Einstimmigkeit einen entsprechenden Beschluß fassen, der nicht im Sinne der um Schwächung der politischen Bedeutung der Nato bemühten Regierung in Paris wäre.

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