: Durch Matsch zum Atlantikrauschen
■ Zum Erleben: Morgen tut sich in der Rathaushalle eine supermultimediale Auswanderer-Ausstellung auf
„Guten Tag“, sagt der Zeit-Geist, „sitzen ihre Kopfhörer richtig?“ So werden vom Freitag an die Besucher einer ungewöhnlichen Ausstellung im Bremer Rathaus begrüßt, die sich mit der Auswanderung nach Amerika befaßt. 50 Millionen Menschen haben von 1820 bis 1978 ihr Glück jenseits des Ozeans gesucht. Für sieben Millionen von ihnen war Bremen und später Bremerhaven der letzte Ort vor der Neuen Welt.
Zwei fiktive Auswanderer begleiten durch die Erlebnis-Ausstellung „Aufbruch in die Fremde“. Alte Stiche, Biographien, Briefe und Schiffspassagen helfen, ihre typischen Schicksale zu rekonstruieren: Da ist Johann Möller, Bauersohn aus Hessen, der 1854 nach Mißernten in die Fremde flieht; da ist Jadwiga Bachleda, die 1907 ihr Heimatdorf in Galizien verläßt.
Mit einem für eine deutsche Ausstellung einmaligen Konzept können die Besucher die Wege von Möller nach Wisconsin und Bachleda nach Chicago audiovisuell miterleben. Es beginnt schon im Eingangsbereich. Ein „Auswanderungsagent“ versucht die Besucher zu überreden, nach Amerika auszuwandern. Anstelle einer Fahrkarte erhalten die „Auswanderer“ Kopfhörer.
Die Reise beginnt in Raum 2. Hier treten die Besucher in einen simulierten Matschboden und
Auswanderer betreten 1907 an der Kaje in Bremerhaven ein Dampfschiff des Norddeutschen Lloyd
werden gleichzeitig von der Stimme des Zeit-Geistes über das Leben in den Dörfern Hessens und Polens informiert.
Ein anderer Raum stellt das Zwischendeck eines überfüllten Segelschiffes dar. Über Kopfhörer sind Auswanderer zu hören, die von Reisezeiten und Passage
hierhin bitte
das Foto von
dem alten Dampfschiff
mit vielen Leuten drauf
bedingungen erzählen, dazu das Knarren der Planken und das Rauschen des Atlantiks. Einige Stationen weiter gelangt man in die „Registry Room“, die große Halle von Ellis Island in New York. Ellis Island war für die Glücklichen die letzte Hürde, für die anderen der Ort, an dem alle
Hoffnungen zerbrachen, weil sie ohne Umschweife zurückgeschickt wurden.
150 Großfotos, dreidimensional gestaltete Hütten, Landschaften und Figuren vermitteln das Gefühl, ein Teil dieser lebendigen Geschichte zu sein. Neben dem Zeit-Geist begleiten die beiden fiktiven Auswanderer die Besucher in Erzählungen und Dialogen durch acht Video- und sechs Hörspielräume.
In den Videoräumen sind kleine Fernsehspiele mit Johann Möller und Jadwiga Bachleda zu sehen. Möller wird von Michael Kausch dargestellt, der den Anwalt Dr. Arnold in der Serie „Liebling Kreuzberg“ spielt. Hinter der jungen Polin verbirgt sich Anna Nowak, die in der „Lindenstraße“ die ebenfalls junge Polin Urzula verkörpert.
Möglich wird diese Form der Führung durch einen schnurlosen Kopfhörer, der über ein ausgetüfteltes Infrarotsystem in allen Räumen Sprache, atmosphärische Geräusche und Musik vermittelt. Die Stadt Bremen hat die rund 900.000 Mark teure Ausstellung ermöglicht. Sie dauert bis zum 9. August. Vom 10. September bis zum 11. November ist sie im New Yorker Hafen in der ehemaligen Einwandererstadion Ellis Island zu sehen. Gert Simberger (dpa)
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