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Nur die Enge sorgt für Wärmeausgleich

■ An alles haben die Organisatoren gedacht, nur nicht an die Tücken des Klimas

München sei ein „Gipfel des Vertrauens“, verkündete gestern ein Sprecher vom Bundespresseamt. Nun grassiert ja im Ausland seit der Einheit vor allem Mißtrauen gegenüber dem vergrößerten Deutschland. Deshalb redet die Bundesregierung nicht nur von Vertrauen — sie handelt und setzt dabei äußerst effektiv an dem hartnäckigsten Vorurteil an: dem seit dem Dritten Reich als weltbedrohend empfundenen perfekten deutschen Organisationswesen. Zum Zwecke der restlosen Zerstörung dieses Vorurteils ließen die Gipfelorganisatoren für die 6.000 JournalistInnen ein Glashaus in den Hofgarten bauen, abgedeckt mit transparenter Kunststoffolie.

An alles war gedacht: gute Beleuchtung, ausreichend Toiletten, Kaffeeausschank und Imbißstände. Nur das Wetter hatten die Konstrukteure ausgeblendet. Gestern morgen prasselte ein heftiger Regen aufs Foliendach und brachte die Radio-Kollegen bei ihren Versuchen, rauschfreie Interviews aufzuzeichnen, schier zur Verzweiflung. Am Freitag noch hatten die Telefoninstallateure Alarm geschlagen, weil sich das Glashaus bei Sonnenschein in einen Brutkasten verwandelt hatte, gegen den auch die zahlreichen Ventilatoren nicht anrotieren konnten. Flexibel, wie unsere Bundesregierung nunmal ist, orderte sie sofort und unbürokratisch große Kühlaggregate. Auf die 300.000 Mark sollte es beim Gesamt- Gipfeletat von 25 Millionen Mark nicht ankommen.

Gestern dann der Wettereinbruch: bei 15 Grad Außen- wie Innentemperatur sorgte nur die drangvolle Enge (400 Plätze für 6.000 JournalistInnen) im Arbeitsraum für Wärmeausgleich. Neben dem Mangel — zwei Telefone für sechs Arbeitsplätze — herrscht Überfluß— an Schreibmaschinen. Nur: die braucht im Zeitalter der Laptops eigentlich niemand mehr. Dri

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