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„Ruhig und überlegt, tolerant und aufgeschlossen“

Die neue Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität, Marlis Dürkop — ein Kind der 68er/ Als Fachhochschulrektorin kümmerte sie sich schwerpunktmäßig um die Frauenforschung/ Politik und Wissenschaft gehen bei ihr Hand in Hand  ■ Von Karin Flothmann

Berlin (taz) — Souveränen Schritts betrat sie am Freitag morgen den Senatssitzungssaal der Berliner Humboldt-Universität, um sich der Presse zu stellen. In diesem Saal war Marlis Dürkop, Professorin an der Westberliner Fachhochschule für Sozialwissenschaften und Sozialpädagogik (FHSS), knapp 24 Stunden zuvor überraschend klar als Siegerin aus den Wahlen um das Präsidentschaftsamt der Ostberliner Traditionsuniversität hervorgegangen. Nach 182 Jahren steht mit ihr zum ersten Mal eine Frau an der Spitze dieser altehrwürdigen Alma mater.

Erst vier Tage zuvor hatte Marlis Dürkop bei der Senatsanhörung klargemacht, wo ihre Schwerpunkte als Präsidentin liegen würden. Dringendstes Problem ist hier die Personalfrage, die Zukunft von 4.600 Beschäftigten steht auf dem Spiel. Fachbereichsstrukturen und die Angleichung von Studien- und Prüfungsordnungen gehören zu den drängenden internen Problemen. Die geplanten Umstrukturierungen und Zusammenlegungen von Fachbereichen erfordern ein gemeinsames Vorgehen aller drei Berliner Universitäten. Und auch Absprachen mit dem Land Brandenburg sind Marlis Dürkop ein Anliegen.

Ihre Erfahrungen im Berliner Abgeordnetenhaus, wo sie seit Januar 1991 als Hochschulpolitische Sprecherin vom Bündnis 90/Grüne saß, werden Marlis Dürkop von den HumboldtianerInnen zugute gehalten. Sie gilt als sachkundige und streitbare Gegnerin des Berliner Wissenschaftssenators, dessen geplante Kahlschlagmethoden ihn gerade im Osten der Stadt unbeliebt machten. Auch wenn so mancher Charité-Professor doch skeptisch den Kopf neigt, wenn man ihn auf die langjährige AL-Zugehörigkeit Dürkops anspricht.

In den einschlägigen Personenlexika der Prominenz bleibt die Suche nach ihrem Namen erfolglos. Frauen werden hier in erster Linie genannt, wenn es sich um Schauspielerinnen oder Präsidentengattinnen handelt. Die neue Präsidentin der Humboldt- Universität stand, im Gegensatz zu ihrem Konkurrenten, dem SPD- Bundestagsabgeordneten Peter Glotz, bisher nicht im Licht der Scheinwerfer.

Als gelernte Reisebürokauffrau fand die heute 48jährige über den zweiten Bildungsweg ihren Weg zur Hochschule. 1966 kam Marlis Dürkop zum Studium nach Berlin. Ihr weiterer Lebensweg blieb geprägt von den 68ern. Vier Jahre lang war sie Vorsitzende des Komitees für Grundrechte und Demokratie. Noch heute ist sie Mitglied der Humanistischen Union.

Die Diplomsoziologin verließ 1976 nur für kurze Zeit Berlin, um als Assistentin an die juristische Fakultät der Universität Hannover zu gehen. Im gleichen Jahr gehörte Marlis Dürkop zu den Mitinitiatorinnen der ersten Sommeruniversität für Frauen in Berlin. „Doch das ist lange her“, meint sie heute.

Nach der Promotion an der Freien Universität erhielt sie 1978 den Ruf als Professorin für Kriminologie an die Westberliner Fachhochschule (FHSS). Ihr Arbeitsschwerpunkt lag schon damals in einem männerdominierten Bereich. Und schon damals maß sie feministischen Forschungsansätzen eine große Bedeutung bei, untersuchte sie die Situation von Frauen im Gefängnis. Den Ruf zur Professur erhielt sie — so spielt das Leben — vom damaligen Wissenschaftssenator der Stadt, Peter Glotz.

Als neue Präsidentin der Humboldt-Universität wird Marlis Dürkop es vor allen Dingen mit den internen Strukturen der traditionsreichen Hochschule aufnehmen müssen. Da kommen ihr die Erfahrungen als ehemalige Rektorin der Westberliner FHSS zugute. Denn 1986, bei Amtsantritt, stand sie an der Fachhochschule vor ähnlichen Problemen.

In ihrer vierjährigen Rektorinnenzeit mußten vor allem während des Streiksemesters 1988/89 erhebliche Konflikte bewältigt werden. Schwerpunkt ihrer Rektoratsarbeit aber war — ganz selbstverständlich — die Frauenforschungsförderung. So wurden auf ihre Initiative hin mittlerweile zwei Frauenforschungsprofessuren an der Fachhochschule geschaffen.

Einmalig für Deutschland ist der eingeführte Promotionsstudiengang für FachhochschulabsolventInnen und SozialpädagogInnen. Erfahrungen aus der Praxis der Sozialarbeit finden so Eingang in die Theorie. Die Stelle der Frauenbeauftragten wurde in ihrer Amtszeit eingeführt. Daß diese Schwerpunktsetzung nicht bei allen KollegInnen auf Zustimmung stieß, rumort bis heute in den Gemütern einiger Fachhochschuldozenten. Für sie war es denn doch „ein Zacken zuviel“ Geschlechtsspezifik.

Zugute kommt ihr als „Wessi“ vor allem die Ost-West-Kooperation innerhalb ihrer Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Hochschulpolitik betrieb sie dort ein Jahr lang zusammen mit ihrem Ost-Kollegen Hans-Jürgen Fischbeck vom Bündnis 90. Und dieser hält große Stücke auf sie: „Sie ist eine ruhige und überlegte, aber auch sehr tolerante und aufgeschlossene Politikerin, bei der man deutlich merkt, daß ihr Handeln ethisch motiviert ist, also um der Sache und der Menschen willen.“

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