: Schwunghafter Handel mit Kalaschnikows alarmiert Justiz
■ Waffen aus den Beständen der abziehenden GUS-Armee tauchen immer häufiger auf dem Schwarzmarkt auf — Beschuldigte sind oft »rechtsorientiert«
Berlin. Der illegale Handel mit Waffen der früheren sowjetischen Streitkräfte floriert. Seit Beginn des Abzugs der GUS-Truppen in die Heimat tauchen immer häufiger Gewehre, Granaten und Munition auf dem Schwarzmarkt in Berlin und Brandenburg auf.
Interessenten sind vor allem Waffen- und Militariahändler, die mit der gefährlichen Ware eine schnelle Mark machen wollen.
»Die Täter fühlen sich meist nicht als Kriminelle«, erklärt die Berliner Staatsanwältin Sigried Nielsen. »Sie sind teilweise naiv, aber gerade das macht sie gefährlich.« Zur Zeit laufen nach ihren Angaben 21 Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.
Erst vor einigen Wochen hatte die Berliner Polizei ein riesiges Lager mit »technisch aufgemotzten« Kalaschnikow-Gewehren ausgehoben, die aus den Beständen der ehemaligen Roten Armee stammen, sagt Frau Nielsen. Eine Fundgrube für Händler und Sammler seien die früheren Truppenübungsplätze und Müllkippen der GUS-Truppen. »Dort lag bis vor kurzem das Zeug haufenweise herum«, so ein 36jähriger ehemaliger Militariahändler, der im Juni wegen illegalen Waffenhandels vom Berliner Landgericht zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden war.
Gezahlt wird mit Kosmetika
Russische Offiziere, die kurz vor ihrer Rückkehr in die Heimat »das große Geschäft wittern«, bieten Sammlern die Waffen zu »Spottpreisen« an, berichtete der Angeklagte. Die Splitterhandgranaten, von denen der 36jährige gleich rund 500 Stück erwarb, waren für fünf Mark zu haben — gezahlt wurde mit Kosmetika und Elektrogeräten. Da die Rückführung der Munition von Deutschland in die GUS-Staaten die Armeeführung eine Stange Geld kostet, gehe sie gegen die Verschleuderung des Materials kaum vor, so ein Zeuge vor Gericht. Der Hauptangeklagte wurde in dem Prozeß zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, ein Mitangeklagter kam mit 18 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und 12.000 Mark Geldstrafe davon.
Auch wenn die Waffenhändler weniger am finanziellen Gewinn als am Sammeln interessiert seien, dürfe die Gefahr, die von dem Kriegsgerät ausgeht, nicht unterschätzt werden, betont die Ermittlerin. Die Granaten könnten bei der Zündung im Umkreis von 40 Metern tödliche Verletzungen verursachen. Nicht auszudenken sei, was passiert, wenn beim Transport der Waffen ein Unfall geschieht oder bei unsachgemäßer Lagerung ein Feuer ausbricht. Äußerst riskant ist auch der Umgang mit Sprengstoff, der in manchen Fällen aus den Granaten herausgekratzt werde.
Täter sind oft rechtsorientiert
Ein Großteil der Beschuldigten ist nach ihren Angaben »rechtsorientiert«, Kontakte zu organisierten rechtsextremen Gruppen bestehen nach den bisherigen Ermittlungen jedoch nicht. Offenbar gehören aber kriminelle Banden zu den Abnehmern der Ware: »Bei jeder zweiten Straftat auf offener Straße ist in Berlin mittlerweile eine Waffe dabei.« Auch der Gebrauch von Jagdgewehren — etwa bei Raubüberfällen — habe »in krassem Maße zugenommen«. Außerdem gibt es Hinweise, daß ein Teil der Waffen in die Bürgerkriegsregionen im früheren Jugoslawien gegangen ist, schildert die Staatsanwältin. dpa/taz
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